Senigallia – Kulinarischer Sternenhimmel im Badeparadies an der Adria

Das sommerliche Badevergnügen an der Adria: Am kilometerlangen Sandstrand reihen sich die Liegestühle und Sonnenschirme der Strandbäder eng an eng aneinander- (c) Gabi Vögele

 

So sieht das nostalgische Klischee des sommerlichen Badevergnügens an der Adria aus: Am kilometerlangen Sandstrand reihen sich die Liegestühle und Sonnenschirme der Strandbäder eng an eng aneinander. In leuchtenden Farben spenden sie den entspannten Badegästen Schatten. In Senigallia in der italienischen Provinz Ancona kann man diese Sommer-Sonne-Adria-Atmosphäre wie in Kindheitstagen ausgiebig genießen. Das Seebad, das auf eine lange Tradition als Badeort zurückblicken kann, besitzt den mit 13 Kilometern Länge größten Sandstrand der Region Marken. Seit dem 19. Jahrhundert locken der feine, goldgelbe Sand und das flache Meer die Sommergäste an die Spiaggia di velluto, den Samtstrand.

Wie ein Symbol der sommerlichen Leichtigkeit schwebt der luftige weiße Bau der Rotonda a Mare auf Stelzen zwischen Strand und Meer. Die Muscheln am Strand haben den Architekten Enrico Cardelli in den Dreißiger Jahren zur Form dieses Rundbaus inspiriert. Ein langer Steg führt über den Strand hinweg zu dem Veranstaltungszentrum, das für Ausstellungen, Konzerte oder einfach als besonders romantischer Platz für einen Sundowner auf der Terrasse genutzt wird.

Richtig lebendig wird die Feriennostalgie der Fünfziger Jahre, als die Adria noch das Traumziel der Deutschen war, hier immer im August beim „Summer Jamboree“. Das Festival hat sich ganz der Musik und Mode der Vierziger und Fünfziger Jahre verschrieben. Das Versprechen, hier „The Hottest Rockin' Holiday on Earth“ zu erleben, lockt Jahr für Jahr Tausende Besucher aus aller Welt nach Senigallia. Frauen in Petticoats und Männer mit von Pomade glänzendem Haar prägen dann das Stadtbild, amerikanische Straßenkreuzer cruisen die Strandpromenade entlang. (Mehr Infos zu dem Festival gibt es unter (www.summerjamboree.com)

Neben dem Samtstrand und sommerlicher Feriennostalgie hat die Adria-Stadt, unweit von Ancona gelegen, Genießern aber noch sehr viel mehr zu bieten. Denn mit gleich zwei Sterneköchen kann sich das kleine Senigallia völlig zurecht als Stadt der Gaumenfreuden rühmen. Nur zwei Kilometer entfernt voneinander haben hier die beiden kreativen Kochkünstler Moreno Cedroni und Mauro Uliassi ihre Genusstempel. Bei beiden stehen die Schätze des Meeres, die von den Fischern frühmorgens fangfrisch auf dem Fischmarkt von Senigallia angeliefert werden, im Zentrum ihrer Küche.

Moreno Cedroni hat sein innovatives Restaurant passenderweise gleich der Madonna der Fischer gewidmet. Der namengebende kleine Marien-Altar steht direkt vor Cedronis Restaurant „Madonnina del Pescatore“ am Strand von Marzocca di Senigallia. Durch die raumhohe Fensterfront blickt man vom schlicht modern eingerichteten Restaurant auf Altar, Strand und Meer. Direkt hier ist Cedroni aufgewachsen, 1984 hat er gleich neben seinem Elternhaus das „Madonnina del Pescatore“ eröffnet. Mittlerweile hat er sich zwei Michelin-Sterne erkocht.

Das Meer und seine Schätze sind dabei seine kulinarische Inspiration. „Diese Region und dieses Meer sind meine DNA“, drückt er es aus. „Ich bin hier zur Welt gekommen und dieser Ort beeinflusst unvermeidbar auch meine Küche.“

Neben dem „Madonnina del Pescatore“ betreibt Cedroni mit dem Anikò im Zentrum von Senigallia inzwischen auch noch einen Meeresfrüchte-Delikatessen-Imbiss sowie die Clandestino Susci Bar am Strand von Portonovo, ein Stück südlich von Ancona. Mit seiner italienischen Interpretation des Sushi – er nennt es Susci – ist Cedroni bekannt geworden. Natürlich findet man es auch auf der Speisekarte des „Madonnina del Pescatore“. Gönnt man sich hier eines der mehrgängigen Menüs, kommt man aber in den Genuss noch vieler weiterer innovativer Neuinterpretationen traditioneller Fischgerichte. Der Brotsalat mit Krustentieren, der selten servierte Tiefseedorsch in Curry-Mandel-Soße, der gegrillte Seeaal mit fermentiertem Rotkohl – sie alle verbinden Tradition mit moderner Leichtigkeit und phantasievoller Präsentation. Wohl zu Recht gilt Cedroni als einer der innovativsten Köche Italiens. Und das alles genießt man in völlig entspannter Atmosphäre – Cedronis Frau Mariella kümmert sich um den perfekten, unaufgeregten Service – und mit einem traumhaften Blick aufs Meer. Mehr kann ein Urlaubstag an der Adria nicht bieten … (www.morenocedroni.it)

Nun ja, außer dass ein Stück den weißen Sandstrand entlang mit dem „Uliassi“ gleich noch ein zweites Sternerestaurant auf Genießer wartet. Mehr als einen Tag sollte man sich also schon gönnen in dieser Stadt der Gaumenfreuden. Auch Mauro Uliassi ist, wie Cedroni, in Senigallia aufgewachsen und seine Liebe gehört dem Meer und seinen kulinarischen Schätzen. Und auch er hat sich in seinem Restaurant „Uliassi“ direkt am Strand zwei Michelin-Sterne erkocht. Was 1990 als kleines Strandcafe begann, das er zusammen mit seiner Schwester Catia eröffnete, hat Uliassi zu einem der Top-Restaurants Italiens gemacht. Im edlen weißen Ambiente mit Blick auf Sandstrand und Meer zaubern er und sein Team kulinarische Kunstwerke auf die Teller, die inspiriert sind von dem, was draußen vor den großen Fensterfronten zu sehen ist: „Der Blick auf das vom Wind gepeitschte Meer, die Wellen, die gegen den Pier prallen, die Möwen auf den Felsen, der Geruch von Seetang, die feuchten Klippen, das sind die Merkmale, die unsere Küche inspirieren“, erklärt der Sternekoch.

Fisch und Meeresfrüchte stehen dementsprechend im Zentrum von Uliassis Küche. „Aber wir kopieren dabei nicht einfach die traditionellen Gerichte, wir entwickeln sie weiter mit zeitgemäßen, modernen Techniken“, erklärt er. Den Tintenfisch serviert Uliassi also in Form von Tagliatelle mit Nori-Algen-Pesto und gebratenem Quinoa, zu den Venusmuscheln kombiniert er geräucherte Spaghetti und gegrillte Kirschtomaten, die Rotbarbe hüllt er in einen knusprigen Brotmantel und lässt sie in Petersiliensuppe schwimmen, kombiniert mit Sardellensirup und Rhabarber. Seine Experimentierfreude beim Umgang mit den heimischen Produkten dokumentiert Mauro Uliassi auch, indem er neben dem klassischen Menü unter dem Namen „Uliassi Lab“ auch immer neue experimentelle Gerichte auf den Tisch bringt.

Mit Moreno Cedroni und Mauro Uliassi hat das kleine Senigallia also gleich zwei Sterneköche hervorgebracht, die eng mit der Stadt und ihren Wurzeln verbunden sind. Der Adria-Badeort hat sich so einen Ruf als Zentrum der gastronomischen Kreativität in ganz Italien und darüber hinaus erworben.

Für Claudio Gasparini, den Leiter der örtlichen Hotelfachschule, ist das kein Wunder. Denn aus der Adria holen die Fischerboote hier täglich frisch die Zutaten für die traditionellen Gerichte: Frische Sardellen, Sardinen, Tintenfische, Seezungen, Heuschreckenkrebse, Meeräschen, Venus- und Miesmuscheln werden frühmorgens auf dem Fischmarkt am Hafen, ganz in der Nähe des Restaurants von Mauro Uliassi, angeliefert. Nach einem morgendlichen Strandspaziergang kann man den Fischerbooten hier beim Entladen ihres Fangs und dem Bestücken der Marktstände zusehen. Und in den einfacheren Restaurants entlang der Strandpromenade und in der Altstadt von Senigallia kann man diese Spezialitäten auch noch ganz traditionell zubereitet genießen, gegrillt, frittiert als Fritto misto dell' Adriatico oder in der traditionellen Fischsuppe Brodetto senigalliese.

Der Geschmack der Adria, ob raffiniert verfeinert oder pur, in Senigallia ist man auf alle Fälle richtig, wenn man ihn kennenlernen will.

Infos für den Urlaub in Senigallia findet man unter www.feelsenigallia.it.

 

Über den Autor*Innen

Gabi Vögele

Gabi Vögele, geboren 1967 in Eichstätt/Bayern, arbeitete nach dem Studium von Journalistik und Geographie als Journalistin für Süddeutsche Zeitung und Abendzeitung. Seit 2005 ist sie freiberuflich als Journalistin tätig. Ihre Themen: Reisen, Outdoor-Aktivitäten, Genuss.

Draußen unterwegs sein, sich in der Natur bewegen, Landschaften entdecken, interessante Menschen treffen und einfach genießen – sei es den würzigen Bergkäse auf der Alm, das gute Glas Rotwein an einem langen Winterabend oder das überraschende Sechs-Gänge-Menü eines kreativen Kochs.