„REIMAGE – Wein neu denken.“ Unter diesem Motto haben sich im österreichischen Burgenland 18 Spitzenwinzer zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Ihr nicht ganz unbescheidenes Ziel ist es, Weine aus dem Landstrich rund um den Neusiedler See in ihrer Qualität und ihrer weltweiten Wahrnehmung in die Weltspitze zu hieven. Und zwar nicht durch Nachahmen, sondern durch das Herausarbeiten und Betonen ihrer Individualität.
Weinbau ist im Burgenland schon seit langer Zeit verankert, über Jahrhunderte jedoch unter der Regie Ungarns. Erst 1921 und damit kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde „Deutsch-Westungarn“ Österreich zugeschlagen. Mit nicht unbedingt positiven Folgen für den Wein. „Der Weinbau hier wurde kolonialisiert“, formuliert es Roland Velich etwas drastisch. Soll heißen: das Burgenland sollte billige Trauben und preiswerten Fasswein für den Handel in Österreich liefern. Der ebenso ehrgeizige wie streitbare Veliech ist der Taktgeber und eine Art Mastermind hinter dem Projekt REIMAGINE.
Die Zeit der „Kolonialisierung“ ging nahtlos über in die Zeit der Standardweine. Selbst etablierte Winzer hätten dann versucht, so Velich, die Weine aus dem Burgund oder dem Bordelais, der Toskana oder dem Piemont zu kopieren. Roland Velich ist diese Vorstellung ein Graus. „Wir wollen unsere eigenen großen Weine machen“, postuliert er. Viel zu lange sei man internationalen Trends hinterhergelaufen, ohne ein eigenes Profil zu entwickeln. Der Einsatz von zu viel Holz beispielsweise mache den Wein zwar fülliger, dafür aber auch austauschbarer.
Der 61-Jährige plädiert sehr deutlich für weniger Holz und weniger „Kellerkosmetik“, aber auch für weniger Rebsorten. Konzentrieren wollen sich die REIMAGINE-Winzer hauptsächlich auf traditionelle einheimische Sorten wie Grüner Veltliner und Welschriesling bei den Weißen sowie vor allem Blaufränkisch bei den Roten. Roland Velich hat neue Ideen im Kopf, eine Mischung aus Konsequenz und Starrsinn in der Seele, aber vor allem Blaufränkisch im Blut. Zweigelt, eine gut 100 Jahre alte „Neuzüchtung“ aus Klosterneuburg vor den Toren Wiens und die wohl bekannteste rote Rebsorte Österreichs findet sich nicht auf der Liste.
Blaufränkisch ist für Roland Velich und Mitstreiter das rote Maß aller Dinge. „Blaufränkisch ist eine der ganz großen Rebsorten weltweit“, ist er überzeugt. Und nirgendwo sonst seien die Anbaubedingungen so gut wie hier im Burgenland mitseinen speziellen Böden und klimatischen Bedingungen. Das Burgenland grenzt an die ungarische Steppe, die Sommer können heiß, die Winter kalt werden. Der 320 Quadratkilometer große Neusiedlersee gleicht die Temperaturschwankungen im Tagesverlauf ein Stück weit aus. Der Blaufränkische reift spät, besitzt viele Gerbstoffe und ebenso viel Säure, braucht entsprechend viel Zeit zum Reifen. In seiner Komplexität und Dichte ist er dem Zweigelt – von seiner Genese her zumindest ein halber Blaufränkischer – deutlich überlegen.
Vor allem wenn man den Produzenten weitgehend freie Hand lässt. Mit dem österreichischen Weingesetz stehen die REIMAGINE-Winzer allerdings „a bisserl auf Kriegsfuaß“. Alles was nicht exakt in die Schubladen der Vorschriften passt, erhält keine amtliche Prüfnummer und gilt damit nicht als Qualitätswein. Das Qualitätssiegel DAC (Districtus Austriae Controllatus) sehen Velich und Kollegen als Korsett.
Den Winzern bleibt dann nichts anderes übrig, ihre hochwertigen und oftmals auch hochpreisigen Weine als „Österreichischer Landwein“ zu vermarkten. Für den etablierten Weintrinker ist das grundsätzlich kein Problem, für manch anderen dagegen ist es zumindest gewöhnungsbedürftig. Querköpfe finden im österreichischen Weingesetz, ähnlich wie im deutschen, kaum Platz.
Das Potenzial des burgenländischen Weins ist für Roland Velich noch lange nicht ausgeschöpft. Da gebe es noch viel zu tun, meint er. Am Anfang des Prozesses müsse stehen, darüber nachzudenken, „für was unser Wein steht. Wir wollen verstehen, wie unsere Herkunft unseren Wein hier prägt.“
Die Mitgliedsbetriebe bei REIMAGINE sind
Anita & Hans Nitthaus, Christian Tschida, Ernst Triebaumer, Gesellmann, Heinrich, Kolfok, Kollwentz, Krutzler, Leo Sommer, Lichtenberger-Gonzales, Markus Altenburger, Moric (alias Roland Velich), Paul Achs, Prieler, Rosi Schuster, Thomas Straka, Heinz Velich, Wachter-Wiesler
Über den Autor*Innen
Klaus Pfenning
Klaus Pfenning wuchs am Rande des Odenwalds auf – und damit eher mit Apfelwein. Erst im frühen Erwachsenenalter wurde ihm bewusst, dass sich auch aus anderen Früchten wunderbare Weine herstellen lassen. Vor allem aus Trauben, weißen wie roten. Vor 30 Jahren verlegte der Naturliebhaber seinen Lebensmittelpunkt an die Badische Bergstraße. Von dort aus kann er nicht nur den heimischen Winzern bei der Arbeit zuschauen. Sondern auch hinüberblicken in die Pfalz und nach Rheinhessen. Dem wachsenden Interesse am Wein konnte das nicht schaden.