Bierzo? Selbst gestandene Kenner der spanischen Weinszene müssen meist überlegen, wo sie dieses Anbaugebiet verorten. Die Lösung: im Nordwesten Spaniens, auf knapp halbem Weg zwischen Leon und Santiago de Compostela. Auch das nördliche Portugal ist nicht weit. Rund um den hübschen Hauptort Villafranca del Bierzo erstreckt sich eine sanft gewellte Hügellandschaft mit Weinbergen in allen Himmelsrichtungen, der Toskana oder dem Piemont nicht unähnlich. Gerade einmal 2.500 Hektar umfasst das kleine Gebiet, für den „Flächen-Europameister“ Spanien nur ein winziger Punkt auf der Wein-Landkarte. Seit 1988 verfügt Bierzo über den Status einer Denominación de Origen (D.O.)
Das Klima hier ist für den Weinanbau nahezu perfekt. Am Schnittpunkt des Kontinentalklimas im Osten und des maritimen Klimas im Westen bekommen die Reben von der einen Seite viel Sonne und von der anderen genügend Niederschläge. Angebaut wird in einer Höhe zwischen 400 und 900 Metern. An kaum einem anderen Ort in der Weinwelt sind so viele Rebstöcke mehr als 100 Jahre alt. Gepflanzt wurden sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nachdem auch in Spanien die Reblaus gnadenlos gewütet hatte.
Weinberge am Jakobsweg
„Das Bierzo war traditionell eine arme Gegend“, sagt Winzer Santi Ysart von der „Bodega Cantarina“ in Villafranca del Bierzo. „Oft fehlte den Weinbauern einfach das Geld für neue Reben.“ Santi ist die Abkürzung von Santiago. Und, Zufall oder nicht: durch die Weinberge von Santi Ysart führt mit dem Camino Frances der berühmteste aller Jakobswege in Richtung Santiago de Compostela. Der 51-Jährige ist einer von 75 Winzern in der Region. Die meisten Betriebe sind in Familienhand, viele arbeiten ökologisch, auch die Bodega Cantarina. Monokulturen findet man hier nicht, stattdessen wachsen in den Weinbergen auch Pinien, Apfel-, Quitten- und Pfirsichbäume.
Santi Ysart ist eigentlich gelernter Luft- und Raumfahrtingenieur. Vor acht Jahren hängte er diesen Beruf an den Nagel und kümmerte sich fortan mit seinen vier Geschwistern um ganz irdische Dinge: die Weinberge seiner Eltern. Heute bewirtschaftet er 12 Hektar und füllt jährlich etwa 30.000 Flaschen. „Reich wird man davon nicht“, meint er, „aber wir können davon leben.“ Rund 70 Prozent der Produktion geht ins Ausland, bis nach Japan und Puerto Rico. Ysart will diesen hohen Exportanteil sogar noch bis auf 90 Prozent steigern. „Im Ausland kann ich deutlich bessere Preise erzielen als zu Hause“, lautet die einfache Erklärung.
Gute Ernte – und zu wenig Kapazität
Der spätberufene Winzer verarbeitet ausschließlich eigene Trauben, kauft keine anderen zu und verkauft auch keine. „In diesem Jahr mussten wir einen kleinen Teil der Ernte hängenlassen“, berichtet er. „Wir hatten einen um 25 Prozent höheren Ertrag als in anderen Jahren, und das mit einer sehr guten Qualität. Aber uns fehlten einfach die Kapazitäten im Keller. Wir wollen in erster Linie eine konstant hohe Qualität, mit einer möglichen Expansion sehen wir dann weiter. Und nicht umgekehrt.“
Bierzo ist in erster Linie Rotweinland, angebaut wird vor allem die einheimische und bei uns weitgehend unbekannte Sorte Mencia. Das Weingesetz erlaubt es, bis zu 15 Prozent weiße Trauben mitzuverarbeiten. Wie in einem „gemischten Satz“ wachsen die Trauben im selben Weinberg, werden gemeinsam gelesen und auch miteinander vergoren. „Die weißen Trauben haben ein bisschen weniger Alkohol und dafür etwas mehr Säure. Das tut dem Wein gut“, ist Santi Ysart überzeugt. Weiße Rebsorten im Bierzo sind vor allem Godello und Palomino. Dass seine Roten dennoch schon mal 14 Prozent Alkohol haben, ist für den Winzer dennoch kein Problem. „Es ist nicht allein eine Frage der Prozente, sondern was man aus dem Wein im Ausbau macht.“
Qualität anstatt Bezeichnung
Dass er biologisch arbeiten wolle, stand für Ysart von Anfang an außer Frage. „Wir wollen unsere Weinberge erhalten und sie gesund an die nächste Generation weitergeben“, lautet sein Credo. Außerdem sei die Qualität mit einer biologischen Bewirtschaftung einfach besser. Um fruchtig und gleichzeitig elegante Weine zu erzeugen, setzt er im Keller Holz nur sehr dezent ein. „Zu viel Holz erschlägt die Rebe“, ist er überzeugt. Bei der Reifung lässt er seinen Tropfen Zeit. In den Handel kommen sie frühestens nach zwei Jahren. Bei manchen könnte er „Reserva“ oder auch „Gran Reserva“ auf das Etikett schreiben, wie vor allem in der Rioja üblich. Santi Ysart möchte dies aber nicht. „Wir wollen mit unseren Weinen überzeugen. Und nicht mit Bezeichnungen.“ Sieben unterschiedliche Weine hat die kleine Bodega derzeit auf Ihrer Liste. Die Preise bewegen sich zwischen ca. 15 und ca. 25 Euro.
Bodega Cantarina Vinos de Familia, Villafranca del Bierzo (vinoscantarina.es)
Über den Autor*Innen
Klaus Pfenning
Klaus Pfenning wuchs am Rande des Odenwalds auf – und damit eher mit Apfelwein. Erst im frühen Erwachsenenalter wurde ihm bewusst, dass sich auch aus anderen Früchten wunderbare Weine herstellen lassen. Vor allem aus Trauben, weißen wie roten. Vor 30 Jahren verlegte der Naturliebhaber seinen Lebensmittelpunkt an die Badische Bergstraße. Von dort aus kann er nicht nur den heimischen Winzern bei der Arbeit zuschauen. Sondern auch hinüberblicken in die Pfalz und nach Rheinhessen. Dem wachsenden Interesse am Wein konnte das nicht schaden.