Negroni und seine Vorfahren – ein Besuch in der Casa Martini

Negroni und seine Vorfahren – ein Besuch in der Casa Martini - Eine Führung durch den Betrieb, das Museum und Cocktail-Kurs zeigt die Vielfalt dieses Traditionsunternehmens in der Nähe von Turin - (c) Gabi Vögele

Intensiv rot leuchtend im Glas und bitter-süß im Geschmack - einen Negroni hat wohl jeder schon mal in einer Bar bestellt. Der Drink gehört zu den bekanntesten Cocktails der Welt.

Wer mehr über die Geschichte des Negroni erfahren will, kann in der Nähe von Turin die Casa Martini besuchen. Das Gebäude des Getränkeherstellers Martini & Rossi in Pessione bei Turin leuchtet in einem mindestens ebenso intensiven Rot wie der Cocktail. Bei einer Führung durch den Betrieb mit angeschlossenem Museum und einem anschließenden Cocktail-Kurs lernt man nicht nur einiges über die Produktion des bekannten Wermut-Aperitifs und das Mixen von Cocktails. Für manchen Besucher vielleicht überraschend ist auch die Erkenntnis, dass Martini & Rossi  auch ein bedeutender Schaumwein-Produzent ist.

Bei der Führung über das Firmengelände erfährt man: Startpunkt der erfolgreichen Firmengeschichte war, als Alessandro Martini und Luigi Rossi 1863 die Wein- und Spirituosen-Distillerie in dem kleinen Ort Pessione in der Nähe von Turin übernahmen. Strategisch war der Ort günstig gelegen, direkt an der Bahnlinie zwischen Turin, den Weinbergen des Monferrato und dem Export-Hafen Genua.

Der Kellermeister und Kräuterkenner Rossi und der Handelsvertreter Martini kreierten hier den roten Wermut Martini Rosso, eine Mischung aus Wein und einer Auswahl italienischer Kräuter. Die Mischung wurde ein weltweiter Erfolg. Bis heute ist der Martini Rosso das bekannteste Produkt des Unternehmens, das inzwischen zum Bacardi-Konzern gehört. Die genaue Zusammensetzung der Komposition aus Weinen und Kräutern ist ein streng gehütetes Geheimnis. Nur Giuseppe 'Beppe' Musso, zuständig für die Weine, und Ivano Tonutti, der Kräuterexperte, kennen angeblich aktuell das genaue Rezept.

Unweit von Asti gelegen, produziert Martini & Rossi neben dem bekannten Wermut aber auch eine bedeutende Menge an Schaumweinen. Allein 250 Weinbauern aus der Region Asti liefern ihre Bianco Moscato Trauben an das Unternehmen. In riesigen Drucktanks, die man bei der Führung über das Betriebsgelände besichtigen kann, wird daraus in Pessione der Schaumwein Asti Spumante.

Die Methode der Herstellung des Schaumweins, die dafür angewendet wird, sei auch in Asti erfunden worden, erklärt der Guide bei der Führung. Der Önologe Federico Martinotti war ab dem Jahr 1900 Direktor des Versuchsinstituts für Önologie in Asti. Dort experimentierte er mit Tankgärung bei der Erzeugung von Spumante. Das Verfahren, bei dem die zweite Gärung nicht wie bei der traditionellen Methode in der Flasche, sondern in einem Drucktank erfolgt, ist in Italien bis heute unter dem Namen Metodo martinotti bekannt. International kennt man das Verfahren allerdings als Méthode Charmat, da auch der Franzose Eugène Charmat Anfang des 20. Jahrhunderts damit experimentierte und sich international bei der Benennung durchsetzte.

Im Museum der Casa Martini, das man nach der Führung durch die Gärkeller besucht, stehen dann aber wieder die bekannten Martini Aperitives im Mittelpunkt. Es wartet mit knallroten Info-Tafeln zur Herstellung, alten Martini-Flaschen und Werbeplakaten auf. Und nicht zuletzt mit einer Bar, in der man sich dann unter fachkundiger Anleitung auch selbst im Mixen versuchen kann. Dabei lernt man ganz praktisch auch die Historie der Cocktails auf Wermut-Basis kennen, die natürlich auch alle gemixt und probiert werden müssen.

Der älteste Cocktail dieser Historie ist der Milano-Torino, erklärt Bartender Ludovico. Er besteht zu gleichen Teilen aus süßem Wermut aus Turin und bitterem Campari aus Mailand. Erfunden wurde der Drink angeblich um 1860 in Mailand im mondänen Caffee Camparino, das dem Campari-Gründer Gaspare Campari gehörte. Heute findet man diesen Drink eher selten auf einer Barkarte. Man könnte ihn aber als den “Großvater des Negroni”  bezeichnen, so Ludovico.

Der Americano ist demnach der Vater des Negroni. Um die starke Mischung des Milano-Torino für die amerikanischen Gäste des Caffee Camparino abzuschwächen,  wurde der Cocktail mit Sodawasser gestreckt, erzählt Ludovico. Fertig war der Americano Cocktail.

In die umgekehrte Richtung ging es dann mit dem Negroni. Angeblich wünschte sich Graf Camillo Negroni 1919 oder 1920 im Caffè Casoni in Florenz vom Barkeeper Fosco Scarselli einen etwas kräftigeren Americano. Dieser ersetzte das Sodawasser kurzerhand durch Gin. Diese Mischung trägt seitdem den Namen des Grafen Negroni.

Und dann gibt es noch den Negroni sbagliato, den “falschen” Negroni. Dieser Cocktail geht angeblich auf ein Missgeschick zurück. Der Barkeeper Mirko Stochetto soll in seiner Bar Basso in Mailand in den 1970er Jahren beim Mixen eines Negroni statt zum Gin versehentlich zu einer Flasche Prosecco gegriffen haben. Auch diese Mischung kam aber an und steht seitdem als Negroni sbagliato auf den Barkarten.  

Will man all diese Cocktail-Varianten bei einem Besuch der Casa Martini probieren, ist es allerdings ratsam, mit dem Zug zu kommen. Von Turin aus fährt man mit der Bahn eine halbe Stunde, von Asti aus ebenso. Die Casa Martini liegt direkt am Bahnhof.

Informationen zu den verschiedenen Angeboten der Casa Martini für Besucher findet man hier... 

Über den Autor*Innen

Gabi Vögele

Gabi Vögele, geboren 1967 in Eichstätt/Bayern, arbeitete nach dem Studium von Journalistik und Geographie als Journalistin für Süddeutsche Zeitung und Abendzeitung. Seit 2005 ist sie freiberuflich als Journalistin tätig. Ihre Themen: Reisen, Outdoor-Aktivitäten, Genuss.

Draußen unterwegs sein, sich in der Natur bewegen, Landschaften entdecken, interessante Menschen treffen und einfach genießen – sei es den würzigen Bergkäse auf der Alm, das gute Glas Rotwein an einem langen Winterabend oder das überraschende Sechs-Gänge-Menü eines kreativen Kochs.