How much is the dish? – Was bringt die Penny Aktion ‚Wahre Lebensmittelkosten‘?

How much is the dish?   Wahre Kosten sprechen für mehr Bio-Ökolandbau ist Freiheitslandbau - (c) Joerg Bornmann

Anfang August 2023 hat der Lebensmitteldiscounter Penny mit einer ungewohnten Aktion für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Keine Nachrichtensendung, keine Verbruachersendung und keine Zeitung, die nicht über die ‚Wahren Lebensmittelkosten‘, die der Aktion von Penny zugrunde liegen, berichtete. Doch es gab auch Kritik, gerade der Bauernverband bezeichnete die Aktion als Greenwashing und bemängelte, dass gerade der Lebensmitteleinzelhandel die Landwirte mit Preisdruck auf Milch usw. an das Existenzminimum treibt und im täglichen Handeln genau das Gegenteil lebt. Diesen Zwiespalt möchten wir hier nicht genauer beleuchten, wichtig ist uns, dass über die Misere der aktuellen Landwirtschaftssubventionen, die noch immer Großlandwirte und konventionell arbeitende Landwirtschaftsbetriebe bevorzugt gesprochen wird und hoffentlich in Bezug auf mehr Bio-Ökolandbau möglichst schnell ein Umdenken stattfindet.

Bereits vor über einem Jahr berichteten wir über die ‚Wahren Kosten‘ bei der Lebensmittelproduktion. Am Rande des Tollwood Festivals in München konnten wir ein Gespräch mit Amelie Michalke von der Universität Greifswald und Prof. Dr. Tobias Gaugler von der TH Nürnberg führen. Eben den beiden Hochschulen, die jetzt das Projekt von Penny begleitenden.

Am Rande des Tollwood Sommerfestival 2022 hat man in einer Gesprächsrunde über das Projekt ‚HoMaBiLe – How much ist he dish‘ informiert. Expertinnen und Experten machten dabei klar: Bio-Lebensmittel verursachen deutlich weniger Umweltschäden und Abhängigkeiten als konventionelle Produkte. ‚Tollwood Gesellschaft für Kulturveranstaltungen und Umweltaktivitäten mbH‘ trägt die Umweltaktivität bereits im Namen. Daniela Schmid, Projektleitung Tollwood „Mensch und Umwelt“, erklärte: „Was bei Tollwood geht, geht auch anderswo. Deshalb engagieren wir uns über die Festivalgrenzen hinaus für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und Ernährung, etwa im Rahmen des „Bio für Kinder"-Projekts, der HoMaBiLe-Kooperation oder mit dem Aktionsbündnis „Artgerechtes München.“ Das Tollwood-Projekt „Bio für Kinder“ unterstützt Kitas und Schulen in Deutschland, auf eine nachhaltige Verpflegung umzustellen – mit dem Online-Tool www.biospeiseplan.de, digitalen Fortbildungstools für Köchinnen und Köche und Vor-Ort-Beratungen. Diese Firmenphilosophie Geht aber weit über das Festivalgelände hinaus und stellt Fragen zu unserem täglichen Umgang mit Lebensmitteln.

Was kostet unser Essen, wenn wir die „wahren Kosten“ (true costs) seiner Erzeugung in die Lebensmittelpreise einberechnen – etwa den CO2-Ausstoß und seine Auswirkungen auf den Klimawandel? Welchen Beitrag liefert der Ökolandbau in Deutschland, um diese Kosten zu minimieren und die Versorgungssicherheit für die Menschen zu gewährleisten? Diesen Fragen widmeten sich die Expertinnen und Experten von Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Tollwood, Universität Greifswald, TH Nürnberg und Landesvereinigung für ökologischen Landbau in Bayern (LVÖ).

Vor der Kulisse von „Tante Emmas wahre Kosten“-Laden auf dem Festivalgelände erläuterten Amelie Michalke von der Universität Greifswald und Prof. Dr. Tobias Gaugler von der TH Nürnberg die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten zu den externalisierten Kosten in der Landwirtschaft. Amelie Michalke fragt: „Konventionell produzierte Lebensmittel sind meist preisgünstiger als Lebensmittel in Bio-Qualität, aber woher kommt dieser Unterschied und ist überhaupt gerechtfertigt?“ Die Forschungsarbeit geht auf die Initiative von Tollwood zurück und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Das Forschungsvorhaben beziffert die Umweltfolgekosten der Nahrungsproduktion etwa für Fleisch, Käse und Gemüse anhand von Parametern wie Schadstoffausstoß (Nitrate, Stickstoff), Klimagasen und Landnutzungsänderung. Es liefert umfassende Preisdaten, auf deren Basis die Politik und Lebensmittelwirtschaft effiziente Maßnahmen zum Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt ergreifen können. Amelie Michalke: „Die Forschung zu den externen Kosten in der Landwirtschaft zeigt: Wir brauchen den ökologischen Landbau als zukunftsfähige Form der Landwirtschaft. Der Öko-Landbau verursacht weit weniger Folgekosten für die Umwelt, die Gesundheit und die soziale Gerechtigkeit.“ Professor Dr. Tobias Gaugler: „Neben geringeren Kosten für Umwelt und Gesellschaft erbringt der Bio-Landbau wichtige Ökosystemdienstleistungen, die eine gute Lebensmittelversorgung in Zukunft sichern helfen. All das sollte in den Preisen der Lebensmittel und in der Entlohnung engagierter Landwirtinnen und Landwirte wirtschaftlich abgebildet werden.“

Bio-Landwirtschaft macht Deutschland widerstandsfähiger
Der Naturland-Bauer, LVÖ-Vorsitzende und BÖLW-Landwirtschaftsvorstand Hubert Heigl, der ebenfalls an der Informationsveranstaltung teilahm wies darauf hin, dass Bio-Lebensmittel deutlich weniger externe Kosten verursachen als konventionelle Produkte. Und weil Öko-Bauern keine synthetischen Dünger und Pestizide einsetzen, ist der Ökolandbau auch weniger abhängig von fossilen Energien aus dem Ausland. Eine verstärkte Förderung von Bio mache Deutschland widerstandsfähiger gegen die Energie- und Klimakrise, schütze Artenvielfalt und Grundwasser und senke gesellschaftliche Kosten. Die Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung hätten sich deshalb völlig zu Recht das Ziel von 30 Prozent Bio bis 2030 gesetzt. Allerdings müssten die Regierenden in Berlin und München dann auch entsprechend in die Förderung des Ökolandbaus investieren, denn mehr Bio falle nicht einfach vom Himmel, dafür müsse man auch etwas tun. „Die Zahlen liegen auf dem Tisch – und sie sprechen klar für mehr Bio!“, sagte Hubert Heigl. „Wenn Erneuerbare Energien Freiheitsenergien sind, weil sie uns unabhängig von Energieimporten machen, dann ist Ökolandbau Freiheitslandwirtschaft, weil wir Bio-Bauern auf Kreislaufwirtschaft statt Input von außen setzen, der uns und unsere Umwelt teuer zu stehen kommt. Immer mehr Bauernhöfe wollen auf Bio umstellen – jetzt muss die Politik dafür den Weg frei machen!“

Bio ist gewollt und funktioniert auch im großen Rahmen
Kann man auch Großveranstaltungen wie das Münchner Tollwood Festival konsequent mit BioLebensmitteln versorgen? Diese Frage beantwortete Tollwood Gastronomieleiter Norbert Keßler mit einem entschiedenen „Ja!“. „Die Praxis zeigt: Bio ist gewollt, machbar und funktioniert. Wir versorgen auf dem Tollwood Festival im Sommer und im Winter insgesamt rund 1,5 Millionen Menschen mit nahezu 100 Prozent Bio-Lebensmitteln. Das kommt an und schmeckt!“ Tollwood zeigt, dass Bio-Essen keine unangenehme Überraschung beim Bezahlen verursachen muss: Hier kostet ein Gericht in 100 Prozent Bio-Qualität nicht mehr als ein konventionelles Gericht auf einer anderen Großveranstaltung in München. Möglich machen das eine faire Kalkulation, die regionale und saisonale Auswahl von Zutaten, der Fokus auf pflanzliche Komponenten und Gerichte sowie die Beratung bei der Auswahl von Rezepturen und Speisen.

Einig waren sich die Expertinnen und Experten, dass die gängige landwirtschaftliche Praxis in Deutschland einen Angriff auf unsere Lebensgrundlagen Boden, Wasser, Luft und Biodiversität darstellt. Nur durch die konsequente Ökologisierung von Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft könnten die Umweltfolgekosten minimiert werden. An die Politik ging in diesem Sinne die Aufforderung, durch einen zielorientierten gesetzlichen Rahmen und finanzielle Anreize wie eine an den Folgekosten orientierte Mehrwertsteuer sowie eine stärkere Förderung von Investitionen in den Ökolandbau die Weichen für ein enkeltaugliches Lebensmittelsystem zu stellen.

Über den Autor*Innen

Jörg Bornmann

Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.