Dem authentischen Geschmack auf der Spur

Toskanischer Schinken, hauchdünn aufgeschnitten, goldgrünes Olivenöl, Fenchelsalami und ein Stück Pecorino, der berühmte toskanische Schafskäse – schon beim Gedanken daran läuft einem das Wasser im Mund zusammen - (c) Hannelore Fisgus

Toskanischer Schinken, hauchdünn aufgeschnitten, goldgrünes Olivenöl, Fenchelsalami und ein Stück Pecorino, der berühmte toskanische Schafskäse – schon beim Gedanken daran läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Was wäre ein Antipasti Teller ohne diese Spezialitäten. Dazu ein paar Oliven, geröstetes Weißbrot und ein Glas Rotwein -   wenn das nicht der Inbegriff von „dolce vita“ ist?

Gerne holen wir uns dieses Urlaubsgefühl auch mal zu Hause auf den Teller, aber um wirklich in den Genuss des authentischen Geschmacks zu kommen, sollte man einiges wissen und beachten, denn es ist nicht immer drin, was draufsteht. Dass in Supermärkten viel Industrieware angeboten wird, die nichts mit original italienischen Lebensmitteln zu tun haben, ist nichts Neues. Auch wenn noch so viele rot-weiß-grüne Streifen, dass suggerieren wollen. Wir konnten uns im Herbst auf einer Toskana Reise einmal genauer anschauen, wie echte, herkunftsgeschützte, regionale Spezialitäten hergestellt werden. Dazu waren wir im Schinkenhimmel, im Käseparadies, im Wurstschlaraffenland und in einer blitzblanken Ölmühle, aus der das kostbare Olivenöl tropfte. Doch zuvor noch ein paar Hintergrundinformationen darüber, wie und von wem die Originalprodukte ausgezeichnet werden. 

Garantierter Geschmack
Das ist ein oft langwieriger Prozess und es benötigt Organisationen, die sich darum kümmern. In der Regel sind es Herstellerverbände, auch Konsortien, die sich bei der EU dafür einsetzen, denn in Brüssel wird entschieden, welche regionalen Produkte ausgezeichnet werden und welche Bedingungen sie erfüllen müssen. Solche Verfahren können Jahre dauern. So musste die toskanische Finocchiona beispielsweise 10 Jahre auf ihre Anerkennung als geschützte Regionale Spezialität warten. Die Konsortien, die sich für die Auszeichnungen einsetzen übernehmen auch die Kontrolle und Vermarktung der Lebensmittel. Es entstand zum Beispiel: G.U.S.T.O- Garanzia, Unicitá, Sapore, Tradizione, Origine“, (Garantie, Einzigartigkeit, Geschmack, Tradition, Herkunft) ein von der EU gefördertes, 3jähriges Projekt, in dem sich die Konsortien Prosciutto Toscano DOP (g.U), Pecorino Toscano DOP (g.U), Finocchiona IGP (g.g.A) und Olio Extravergine di Oliva Toskana IGP (g.g.A) zusammengeschlossen haben, um für ihre geschützten Produkte zu werben und um sie auf heimischen und wichtigen ausländischen Märkten bekannt zu machen. Ihnen, und der Organisation Iloveitalienfood verdanken wir die tieferen Einblicke in die Herstellung und Herkunft der genannten Spezialitäten

Der Schinken - Prosciutto Toscano DOP – Prosciuttificio Gozzi
An einem sonnigen Herbstmorgen fahren wir durch die sanft geschwungenen Hügel der sienesischen Crete mit Zypressen und Pinien. Das Gittertor, das sich dann vor uns auftut, ist weniger romantisch. Denn wir betreten den hochprofessionellen und spezialisierten Betrieb eines der größten Schinkenproduzenten der Toskana. In Schutzkleidung, wie die Mitarbeiter, dürfen wir uns alle Produktionsschritte genau anschauen, vom Zerteilen und Einsalzen der frischen Keulen bis zur Prüfung des gereiften Schinkens. Trotz der Größe des Betriebs wird noch enorm viel per Hand gemacht.  Sorgfältig werden die Schinken mit Salz, Rosmarin, Lorbeer, Wacholderbeeren und anderen Kräutern eingerieben, die den unverwechselbaren Geschmack geben. Danach kommen die Keulen in die Vorreifekammer, nach ca. 3 Monaten werden sie mit Schweineschmalz, Reismehl und Pfeffer ummantelt und damit geschützt, bevor sie zur endgültigen Reife aufgehängt werden. Für den Prosciutto Toscano DOP dürfen nur mindestens 9 Monate alte Schweine aus Mittel- und Norditalien verwendet werden. Die Reifezeit muss mindestens 12 (oft auch mehr) Monate betragen. Kräuter und Salz verleihen ihm seinen herzhaften Geschmack, der ihn von dem milderen Parmaschinken unterscheidet. Erst wenn der Schinkenspezialist mit einer Nadel aus Pferdeknochen die sensorische Prüfung vorgenommen hat, ist er „reif“ für den Verkauf. Traditionell schneidet man ihn von Hand mit einem scharfen Messer in hauchdünne Scheiben. Das gelingt aber nur noch den Profis, so wie wir einen kennenlernen durften. Eines steht jedenfalls fest: „Prosciutto Toscano DOP“ ist eines der Signature-Produkte der Toskana.

Finocchiona IGP – Salumeria Monte San Savino
Auch die Fenchelsalami gehört dazu, kein Antipasto, kein Vorspeisenteller kommt ohne sie aus. Da Pfeffer in früheren Zeiten ein teurer Luxus war, ersetzten ihn die Bauern und Metzger durch wilde Fenchelsamen- und Blüten, die kostenlos auf ihren Feldern und am Wegrand wuchsen. Die aromatischen gelben Blüten und Körner geben der Wurst ihren typischen Geschmack und helfen ganz nebenbei bei der Fettverdauung. Eine Finocchiona IGP darf übrigens nur maximal 35% Fett enthalten.  Sie wird aus frischem Schweinefleisch vermischt mit Salz - heute kommt natürlich auch Pfeffer dazu - Knoblauch, Fenchelblüten, manchmal auch etwas Wein zubereitet und anschließend Luft getrocknet. Jeder der 39 Produzenten des Konsortiums kann das Rezept ein wenig variieren. So fällt die Finocchiona auch von der Form her ganz unterschiedlich aus. Sie kann Mortadella ähnlich groß sein, aber auch die Größe einer durchschnittlichen Salami haben.  Das Fleisch für die Wurst muss nicht zwingend aus der Toskana stammen. Entscheidend sind die Rezeptur und der Herstellungsprozess, was übrigens für alle IGT-Produkte gilt. Bei der Produktion ist viel Handwerk gefragt und wir schauen fasziniert zu, wie die Mitarbeiter die Würste per Hand kunstvoll binden, bevor sie in der Reifekammer bei 25 Grad den schützenden Schimmel ansetzten. Nach einer Woche dürfen sie dann in einer Kühlkammer weiter reifen und ihren typischen Geschmack entfalten. Wie der Schinken, sollte man die Finocchiona am besten zu dem in der Toskana üblichen, salzlosen Brot genießen.

Pecorino Toscano DOP – Caseificio Pienza Solp
Schafherden prägten seit alters her das Bild der südlichen Toskana. Hier wird der Großteil des toskanischen Schafskäses produziert. Denn je näher das Meer rückt, um so magerer werden die Böden, um so mehr überwiegt die Macchia mit ihren mageren, aber kräuterreichen Böden, die dem Käse seinen würzigen Geschmack verleihen. Schafskäse wird hier seit alters her hergestellt. 700 Schafzuchtbetriebe zählt das „Consorzio Tutela del Pecorino Toscano DOP heute, darunter viele Klein und Kleinstbetriebe. Den Löweanteil der rund 3 Millionen Kilo Percorino Toscano DOP produzieren allerdings einige wenige Großbetriebe. Zwischen Montepulciano und Pienza, das für seinen Pecorino besonders berühmt ist, schauen wir uns an, wie der Käse nach modernsten Standards zubereitet wird. Fünf Liter frische Schafsmilch benötigt man für 1 Kilo. 10 Millionen Liter Schafsmilch verarbeitet diese Käserei pro Jahr zu Pecorino, der in Supermärkten in ganz Italien und im Ausland verkauft wird. Denn die geschützte Ursprungsbezeichnung gilt nicht nur für kleine Handwerksbetriebe, sondern auch für Großproduzenten, deren Abnehmer Supermarktketten und Großhändler sind. Aber auch hier ist, trotz der Größe, viel Handarbeit im Spiel. Die Käselaibe werden gesalzen, mehrmals gewaschen und gedreht und die Rinde wird zum Schutz mit Öl, Asche oder Tomatenmark behandelt, damit keine falschen Bakterien und kein Schimmel eindringen kann. Daher die unterschiedliche Farbe der Rinden.  Der ursprungsgeschützte Käse darf nur aus Milch von Schafen aus der Toskana und einigen Nachbargemeinden in Latium und Umbrien hergestellt werden. Junger Pecorino, mit zartgelber Rinde, zeichnet sich durch einen milden Geschmack und weiche Konsistenz auch. Er muss mindestens 20 Tage gereift sein, meist lässt man ihm 4-6 Wochen Zeit. „Pecorino stagionato“ also gereifter Pecorino bleibt mindestens 120 Tage, meist ein Jahr im Reifekeller. Besonders aromatisch sind die in Höhlen gereiften oder in Stroh gewickelten Spezialitäten, die man allerdings nicht in jedem Supermarkt findet. Wichtig ist: ohne DOP-Zeichen darf sich der Käse nicht Pecorino Toscano nennen, sondern lediglich Pecorino.

Olio Toscano IGT -Oliviera Sant’Andrea
Wir sind wiederum in einem Vorzeigebetrieb. Anfang November ist die Olivenernte noch in vollem Gang. Oliven werden in großen Kassetten angeliefert und das frische Öl in Kanistern hinausgetragen. Der grüne, leicht bittere Duft nach Oliven liegt in der Luft. In dem Familienbetrieb werden ausschließlich die für die Toskana typischen Olivensorten verarbeitet, darunter Leccino, Frantoio, Moraiolo und noch einige andere Sorten, die für das IGP-Label zugelassen sind.

Wie für die Finocchiona gilt auch für das toskanische Olivenöl das etwas „schwächere“ Schutzzeichen g.g.A, also geschützte geografische Angabe, das weniger streng ist als die DOP- Vorschriften. Letztere garantieren, dass Anbau, Pressung und Abfüllung in der Toskana oder dem jeweiligen Gebiet stattfinden müssen. Das Olio IGT darf (muss aber nicht) auch Oliven aus anderen Regionen, zum Beispiel aus Süditalien beinhalten. Auch andere Arbeitsschritte wie das Pressen oder Abfüllen könnten woanders stattfinden. Das bereits 1977 gegründeten Consorzio per la Tutela dell’Olio di Oliva Toscano IGP hat 8000 Mitglieder, die zwar nur 15% der ansässigen Betriebe ausmachen, aber ca. die Hälfte des Öls produzieren. Sie arbeiten nach den Vorschriften des Verbandes und stellen 100% natives Olivenöl her, das in einem rein mechanischen Verfahren gewonnen wird. Der Säuregehalt muss unter 2% liegen und die Temperatur darf 27Grad nicht überschreiten, damit die wertvollen Nährstoffe, Antioxydantien und Phenole im Öl erhalten bleiben. Wenn das frische Öl fast dunkelgrün aus der Presse rinnt, möchte man am liebsten gleich eine Scheibe Brot darunter halten, um es zu kosten. Wir haben es auf geröstetem Brot bei Sonnenschein auf der Terrasse genossen.

Über den Autor*Innen

Hannelore Fisgus

Hannelore Fisgus ist freie Journalistin, Reporterin und Buchautorin. Sie liebt und berichtet über Italien, Reisen ins Land jenseits des Brenners und die typische italienische Küche.