Die Führung durch die Deutsche Eiche ist eigentlich ein Theaterstück. Zum Beginn gibt es einen Begrüßungs-Prosecco in der Bar. Einer der zwei Besitzer, Dietmar Holzapfel, singt Lieder über das Haus und die Vergangenheit, trägt Gedichte vor und liest auch noch kurze Artikel aus Büchern über die Eiche vor und erntet tossenden Beifall. Da die Gruppe für die Führung sehr groß ist, übernimmt der Ehemann von Dietmar Holzapfel, Josef Sattler, eine Hälfte der Gruppe. Der adlige Dackel Tino, der im Schloss Nymphenburg geboren wurde, ließ es sich nicht nehmen, bei der Führung durch das ganze Haus dabei zu sein. Es wurden das Badehaus für Männer mit zwei finnischen Saunen, Dampfbad, Ruheräumen, Sonnenliege, großem Whirlpool und Gastronomiefläche besichtigt. Im Monat kommen etwa 10.000 männliche Gäste aus aller Welt in das Badehaus, um sich zu erholen, zu entspannen, aber auch, um andere Männer kennenzulernen. Nach dem Badehaus konnte ein Hotelzimmer des Designhotel, das Restaurant und vor allem die Dachterrasse besucht werden.
Das Haus hat Geschichte: Rainer Werner Fassbinder und Freddie Mercury waren die wohl prominentesten Gäste, die die Deutsche Eiche bekannt machten. Das Haus wurde 1864 mit einer Straßenschenke erbaut. Von Anfang an war die Gassenschänke ein beliebter Treffpunkt: Es kamen die Händler der Großmarkthalle, Metzger vom Schlachthof, Prostituierte und die Tänzer vom Gärtnerplatztheater. Emil Reichenbach kaufte 1896 das Anwesen und führte die Gastwirtschaft mit seiner Frau Apollonia. Die Wohnungen darüber wurden vermietet. Das Haus blieb drei Generationen im Besitz der Familie. Im Jahre 1928 wurde mit zwei Fremdenzimmern ein Hotel dazu eröffnet. Eleonore Reichenbach, genannt „Ella“, führte in den Kriegsjahren mit Schwägerin Tony Gasthaus und die Pension. Sie fuhren mit einem Lastwagen an den Bodensee, um Schnaps oder nach Südtirol um Schinkenspeck einzukaufen. Ella musste wegen der Schwarzmaktgeschäfte für sechs Wochen ins Gefängnis.
Sonja Reichenbach-Neudorfer Pächterin. Inzwischen gab es 25 einfache Zimmer, die Toiletten und Bäder waren damals noch im Flur und das blieb so bis in die Neunzigerjahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg feierten die Tänzer des Gärtnerplatztheaters in der Deutschen Eiche ihre Premieren. Sie waren es auch, die im Fasching den „Hausball“ ins Leben riefen, der heute noch zelebriert wird. Zusätzlich versammelten sich zu der Zeit im Haus immer mehr Künstler und buntes Volk, sodass es in der Süddeutschen Zeitung einmal hieß, die Deutsche Eiche sei ein Homosexuellentreff. Die damalige Wirtin Ella Reichenbach empörte sich: „So einen Schmarrn, was die da schreiben! Bei mir verkehren 90 Prozent Künstler und 10 Prozent von Frauen enttäuschte Männer!“ es gab – von den Wirtinnen abgesehen – immer auch Frauen, wie Margot Werner, Elisabeth Volkmann, Barbara Valentin oder Donna Summer.
Donna Summer, die Disco Queen, spielte im Musical Hair in München mit. Sie bekam von einem österreichischen Zahnarzt ein Kind und konnte wegen ihrer Tochter Mimi nicht mit Musical-Truppe weiterziehen und so wohnte sie in der Eiche. Sie jobbte im „Why not“, dort wurde sie von Giorgio Moroder entdeckt, der sie mit „Love To Love You Baby“ zum Weltstar machte. In den 70er-Jahren wurde die Eiche zum „zweiten Wohnzimmer“ von Rainer Werner Fassbinder, der hier seinen Geliebten Armin Meier fand. Anfang der 80er-Jahre kam auch Queen-Sänger Freddie Mercury, wenn er in München war. Nach dem Einbruch durch Aids wollte Löwenbräu die Eiche in Büros umwandeln. Die Rettung kam 1993 mit Dietmar Holzapfel und Josef Sattler: Sie haben die Deutsche Eiche gekauft und angefangen, das Haus zu renovieren. Heute ist das Hotel – Designhotel, ein Drei-Sterne-Superior-Hotel, das eigentlich ein Vier-Sterne-Styling hat. Ab 1995 entstand in zwei Rückgebäuden der Deutschen Eiche das erste Badehaus nur für Männer. Der Andrang war von Anfang an sehr groß. Mit viel Glück konnten in den folgenden Jahren immer wieder Gebäude dazu erworben werden, sodass sich das Badehaus heute über fünf Häuser und vier Stockwerke erstreckt.
Heute ist die Deutsche Eiche das Schmuckkästchen der Straße. Gäste aller Art kommen in die Eiche – Heteros, Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender – und sie alle genießen genau das: die bunte Mischung. So wohnten der Familienvater und Nobelpreisträger Günter Grass hier, aber auch der Paradiesvogel Jean Paul Gaultier, der Autor Frank Schätzing mit Frau, Ulli Lommel, der James Dean der Fassbinderzeit, sowie Ralph Morgenstern, Thomas Hermanns, Nastassja Kinski und Ireen Sheer in der Eiche.
Dietmar Holzapfel hat den bayerischen Verdienstorden für seinen Einsatz für Menschenrechte, insbesondere für den Einsatz in Bezug auf LGBTI und den Georg Lohmeier Gedächtnispreis erhalten. Bei einem Neujahrsempfang mit Ministerpräsidenten Söder war er auch schon eingeladen. Das Duo Holzapfel und Sattler kümmert sich auch um die Wiedereinrichtung des Denkmals Ludwig-II. in München. Ludwig II. umgab sich in seinen letzten Lebensjahren mit den groß gewachsenen, schick uniformierten Leichten Reitern (Soldaten), den Chevaux légers. Es ist eine Theorie, dass das Wort „schwul“ von diesem militärischen Begriff herrührt. Die Bayern sprachen gern ihr eigenes „Französisch“: „Der Ludwig und seine Schwulischen!“ hieß es bald in München.
Die Traditionswirtschaft Deutsche Eiche ist nicht nur in München bekannt, sie ist weltbekannt. Das Wirtshaus ist wie die Gäste bayerisch und gleichzeitig international. Das Hotel ist inzwischen ein Designhotel und die chillige Dachterrassenbar mit der genialen Aussicht auf die Innenstadt von München, ist unbedingt einen Besuch wert. Zum Haus gehört eines der größten Badehäuser Europas nur für Männer, diese Kombination unter einem Dach ist einmalig in der Welt. Schon Fassbinder drehte verschieden Szenen für seine Film in der Deutschen Eiche. Für die VOX-Serie „Mein himmlisches Hotel“ wurde auch im Haus gedreht.
Das Angebot im Restaurant ist überzeugend. Es gibt „der längste Lümmel der Eiche“, eine extrem lange Currywurst mit Steakhauspommes. Auf der Speisekarte stehen auch Käsespätzle mit Frühlingslauch, ofenfrischen Schweinebraten mit Kartoffelknödel, Wiener Schnitzel Eiche Art von der Kalbsoberschale mit hausgemachter Panade im Butterschmalz ausgebacken, mit kaltgerührten Preiselbeeren und eigenem Meerrettichsenf, mit warmen Kartoffel-Radieserl-Rucolasalat. Obatza und der bayerische Wurstsalat, fehlen natürlich nicht. Der krönende Abschluss ist natürlich der Kaiserschmarrn mit Rumrosinen, dazu Zwetschgenröster und Apfelmus.
Die Führungen finden von Montag bis Freitag um 9:30 Uhr statt und sind kostenlos, wer mag, kann 5 Euro für einen sozialen Zweck spenden.
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Über den Autor*Innen
Jörg Bornmann
Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.