Ein kulinarischer Stadtrundgang

Ein kulinarischer Stadtrundgang - In Graz treffen viele kulinarische Einflüsse aufeinander, das macht es so spannend - (c) Jörg Bornmann

Wo kann man eine Stadt besser kennen lernen wie bei einem kulinarischen Stadtrundgang? Das gilt sicherlich ganz besonders bei der Genusshauptstadt Österreichs, wir sind in Graz. Graz war 2003 Europäische Kulturhauptstadt, doch wie wichtig auch gerade die kulinarische Kultur für die Stadt und die Region ist, kann man an der Vielzahl der kulinarischen Stadtrundgänge sehen. Neben einem Bierrundgang, einem Veggie Walk, einem kulinarischen Silvesterrundgang oder einer Genusstour mit dem Cabriobus, bietet Graz Tourismus jeweils am Samstag und Sonntag einen kulinarischen Rundgang durch diese lebendige Stadt an.

Ich bin für die Tour am Samstag angemeldet. Bereits einige Tage vorher habe ich mein Ticket reserviert. Da die Teilnehmerzahl auf 24 Personen begrenzt ist, ist eine frühzeitige Anmeldung wichtig. Die überschaubare Gruppengröße hat zwei Gründe, zum einen gibt es in einigen der teilnehmenden Restaurants und Gasthäuser nicht mehr Platz und zum zweiten kann der Guide so auf fast jede Frage aus der Gruppe eingehen und die kulinarische Führung zu einem persönlichen Erlebnis machen.

Ich hole mir mein reserviertes Ticket in der Touristinfo in der Herrengasse kurz nach 10 Uhr am Samstagvormittag ab. Keine 10 Min. entfernt ist der Treffpunkt ‚Die Genießerei am Markt‘ zum Stadtrundgang. Hier am Kaiser-Josef-Platz, direkt hinter der Oper, findet täglich, außer an Sonn- und Feiertagen, ein großer Bauermarkt statt. Jeder Grazer, der etwas auf sich hält kauft hier ein und trifft sich mit Freunden auf einen Kaffee oder ein, zwei… Achterl Wein. Und so kam schon mancher Salatkopf recht welk nach Hause, da der Käufer nach dessen Kauf noch einigen Freunden und Bekannten über den Weg gelaufen ist.

Die sprichwörtliche Gemütlichkeit der Steirer spiegelt sich auch in der für den kulinarischen Stadtrundgang angesetzten Zeit wider. Vier Stunden sind für unseren Stadtrundgang angesetzt und ich kann es schon einmal vorwegnehmen, es werden fast fünf. Wir treffen uns um halb elf an der Geniesserei. Wir, das sind meist 3-4köpfige Freundesgruppen unser Guide und ich.

Saisonal, regional & traditionell, diese drei Attribute beschreiben die Genießerei am Markt. Auf den Tellern landet das, was der Bauernmarkt hergibt. Die Genießerei ist ein Gourmet-Marktstand mit Herz und Seele und Treffpunkt der Grazer und Touristen. Hier kann man sich als Gast schnell unter die Einheimischen mischen. Generell gilt für Graz, dass das Verhältnis der knapp 300tsd. Bewohner und der Besucher, max. etwa 9.000, oft sehr persönlich ist. Hier die Gäste, die in der gesamten Stadt schnell Anschluss zu den Grazern finden, touristische Hotspots wie in anderen Städten gibt es fast nicht. Auf der anderen Seite die Grazer, die Touristen gerne in ihrer Mitte aufnehmen und bei einem guten Glas Wein oder einem Krügerl Bier sehr gerne von sich und ihrer Stadt erzählen.

Wir starten mit einem ersten Appetizer, die uns die sympathischen Bedienungen der Genießerei servieren, ein Schwammerl-Risotto mit Kräutern und ein Achterl Schilcher-Sekt bilden den Anfang. So starten wir in den eigentlichen kulinarischen Stadtrundgang. Zuerst nehmen wir uns noch etwas Zeit auf dem Markt, schauen uns die regionalen Produkte an und nicht wenige von uns kaufen sich einige kulinarische Andenken. Natürlich dürfen die, neben dem Wein vielleicht steirischsten Produkte nicht fehlen. Das Steirische Kürbiskernöl g.g.A. und der Steirische Kren g.g.A. sind Produkte aus der Region mit dem Qualitätszeichen der geschützten geographischen Angabe (g.g.A.) und auch die Steirische Käferbohne mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g.U.) findet man auf dem Bauernmarkt am Kaiser-Josef-Platz.

Weiter geht es für uns zum Stadtpark, der, wie uns unser Guide erzählt, auf ehemaligen Befestigungsanlagen errichtet wurde. Auch heute kann man an der Geländeform des Stadtparks noch gut nachvollziehen, wo Befestigungsanlagen verliefen. Das Kontrastprogramm erwartet uns in der Burggasse. Das ARGROS mit seinen markanten Fenstern wurde von der Star-Architektin Zaha Hadid entworfen. Leider erlebte sie die Fertigstellung nicht mehr, aber sie hinterließ der Europäischen Kulturhauptstadt 2003 ein Gebäude, dass man in einem Atemzug mit dem Kunsthaus und der Murinsel als Highlight von Design und Architektur nennen muss.

Für uns geht es weiter zum Gasthaus Stainzerbauer. Hier erwartet uns unser zweiter Gang, Wels auf einem Kürbispüree und dazu einen Sauvignon Blanc „Südsteiermark DAC“. Das herbstliche Gericht genießen wir in einer der traditionellen Stuben des Stainzerbauer. Nach dem Essen nehmen wir uns noch ein wenig Zeit den historischen Innenhof mit seiner Gestaltung aus dem 16. Jahrhundert zu bewundern. Bevor es weitergeht durch die Altstadt von Graz. Wir bewundern die alten Gassen, das historische Joanneum mit dem wunderschönen Lesliehof, machen einen Schwenk über den Hauptplatz mit einem Blick auf den Schlossberg und Uhrturm und machen uns schließlich auf den Weg in die Schmiedgasse. Hier besuchen wir den Landhauskeller. Klassische und trotzdem gemütliche Gastronomie erwartet uns in diesem Haus und außerdem ein wunderbares Backhendl. Traditionell serviert, darf hier auch der panierte Hals, Leber und Nierchen nicht fehlen. Begleitet wird das Backhendl von einem Weißburgunder aus der Südsteiermark. So schmeckt Graz.

Wir machen uns auf zu unserer letzten kulinarischen Station am Franziskanerplatz. Im ‚Dreizehn by Gauster‘ trinken wir noch gemütlich einen Kaffee und nehmen ein Dessert zu uns. Noch einmal lassen wir die Eindrücke der letzten Stunden Revue passieren. Auffallend ist die Verbundenheit zu regionalen Produkten bei allen besuchten Gasthäusern und Restaurants. Doch der kulinarische Stadtrundgang bringt nicht nur die Kulinarik näher, man erfährt vielmehr Interessantes zu Graz und den Grazern. Man versteht die gemütliche Lebensart, die in dieser Stadt vorherrscht und bekommt Lust noch tiefer in diese einzutauchen. Eine wunderbare Idee der etwas anderen Stadtführung und einer Genusshauptstadt absolut würdig.

Weitere Informationen zu den kulinarischen Stadtrundgängen mit wechselnden Lokalitäten finden Sie hier…

Über den Autor*Innen

Jörg Bornmann

Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.