Bordeaux: Wein mit Stil und Stiel

Das Château les Carmes Haut Brion - (c) Thomas Rentschler

Das Überraschendste zuerst: Bordeaux ist wie Paris – nur ohne den ganzen Stress. Das behaupten zumindest einige der 260.000 Einwohner stolz. Für eine Stadt dieser Größe, vergleichbar mit Wiesbaden, Mönchengladbach, Gelsenkirchen, Aachen, Braunschweig oder Kiel wirkt Bordeaux riesig und vor allem mondän. Die Fußgängerzone Rue Sainte-Catherine ist eine 1,2 Kilometer lange Einkaufsstraße mit gehobenen Einzelhandelsgeschäften, Cafés, Restaurants und Einkaufszentren.

Wer die Straßen in der Innenstadt entlangflaniert und ein Auge für Architektur und Stil hat, kommt aus dem Staunen kaum heraus. Im Krieg fielen in Bordeaux zum Glück keine Bomben, so dass die Stadt über eines der größten städtischen Ensembles aus dem 18. Jahrhundert in ganz Europa verfügt. Zurecht wurde Bordeaux deshalb 2007 in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. Es gibt 362 historische Denkmäler, von denen einige bis in die Römerzeit zurückreichen. Nach Paris ist Bordeaux die Stadt mit den meisten denkmalgeschützten Bauwerken in Frankreich. Und zwar ohne den ganzen Stress von Paris, lassen an dieser Stelle Einheimische immer wieder schmunzelnd einfließen.

Wein mit allen Sinnen erleben
Wer passend zum Thema Stil und Architektur in einem entsprechenden Hotel wohnen möchte, sollte sich für das Seeko'o entscheiden, ein Designhotel direkt unten am Fluss in der Nähe der pont Chaban-Delmas-Brücke über die Garonne. Die vier Pylone der Brücke können in einem gläsernen Treppenhaus mit 400 Stufen erklommen werden. Von der Aussichts-Ebene bietet sich ein beeindruckendes Panorama auf Bordeaux und das Umland. Von Zimmer 501 im Seeko'o Hotel bietet sich der beste Blick auf die Brücke. Das Frühstücksbuffet ist nicht überladen, doch dafür mit guten, meist regionalen Produkten bestückt.

Vom Hotel aus liegt das Cité du Vin nur 650 Meter Fußweg entfernt. National Geographic platziert das Weinmuseum auf Rang 7 der besten Museen weltweit. Und zwar völlig zurecht. Das Cité du Vin ist eigentlich viel mehr als ein Weinmuseum; einzigartige Kultureinrichtung, die sich dem Wein als universelles und lebendiges Kulturerbe widmet, trifft es eher. Auf zehn Etagen geht es darum, den Wein mit allen Sinnen zu erleben. Zu riechen, zu schmecken, mit den Augen entdecken, Dinge anfassen. All das gehört im Cité du Vin dazu.

Einen guten Einstieg in die Weinwelt bietet der interaktive Guide in acht Sprachen, darunter auch deutsch. So können alle Besucher in ihrem Tempo sich dem Thema Wein nähern. Ganz geschickt: Wer ganz oben auf der 35 Meter hohen Aussichtspunkt angekommen ist, kann bei einer Weinprobe bei herrlichem Ausblick ein oder auch ein paar Gläser Wein genießen – und zwar nicht nur aus Bordeaux.

Absolut empfehlenswert ist die Führung „Via Sensoria“. Hier werden die Gäste in kleinen Gruppen (französisch-, spanisch- und englischsprachig, leider kein Deutsch) durch die vier Jahreszeiten geführt. Die Videoinstallationen, die Pflanzen, an denen die Besucher riechen können und das unterschiedliche Licht führen dazu, dass die vier Weine, die bei der Via Sensoria-Tour verkostet werden, einem neue Dimensionen eröffnen.

Apropos Dimensionen: Die Weinregion Bordeaux hat insgesamt 287.000 Hektar Weinberge, 10.000 Weingüter, die jährlich rund 960 Millionen Flaschen Wein herstellen und zumeist üppigen Preisen weltweit verkaufen.

Wein mit Stil und Stiel
In der Stadt Bordeaux gibt es nur ein Weingut, aber was für eins: Das Château les Carmes Haut Brion produziert Wein mit Stil und Stiel. Fangen wir mit dem Stil an: Das Château les Carmes Haut Brion lud Philippe Starck und Luc Arsène-Henry ein, ein Weingut zu entwerfen und hatte dabei freie Hand. Entstanden ist ein Weingut, das durch seine dynamische Form mit der umgebenden Landschaft kontrastiert. Den modernen Weinkeller, der an einen umgedrehten Schiffsbug erinnert, schuf Christian de Portzamparc. Die Stahltanks werden von Künstlern bemalt und das gleiche Motiv kommt dann auf die Etiketten der begehrten Flaschen, die ab 42 Euro bis über 1.000 Euro über den feinen Tresen im Degustationsraum gehen. 70 Prozent wird ins Ausland verkauft, vor allem in die USA und Schweiz.

Kommen wir nach dem Stil zum Stiel. Die Weine sind nicht Biozertifiziert, weil das aufwändig und teuer ist, sagt Sylvie Fleury vom Château les Carmes Haut Brion. Doch in dem Weingut wird nach den gleichen Richtlinien gearbeitet. Die Pflanzen sollen stark und gesund sein, so dass sie ganz natürlich widerstandsfähig sind. Gegen Sonnenbrand werden die Trauben mit einer Art Sonnencreme eingesprüht. Das Kaolin besteht hauptsächlich aus Wasser und weißer Tonerde. Die Trauben werden ausschließlich von Hand gelesen und überwiegend mit den Stielen verarbeitet. Das gibt den Weinen mit Textur.

Wer gut trinkt, will in Bordeaux - natürlich - auch gut essen. Hier zwei Tipps: Mittagstisch mit drei Gängen für 23 Euro bietet das „Les Récoltants“ in der Fußgängerzone. Die meisten Produkte, die verarbeitet werden, kommen vom eigenen Bauernhof, der 20 Kilometer außerhalb der Stadt liegt oder von lokalen Produzenten. Im Eingangsbereich des Restaurants ist der Bauernladen, wo die Gäste dann gleich noch Obst, Gemüse, Käse und Wurst etc. mitnehmen können.

Jeden Abend 38 glückliche Gäste
Wer es sich abends mal richtig gut gehen lassen möchte, MUSS in das Vivants gehen. Das Vier-Gänge-Menü kostet bescheidene 60 Euro. Dazu kommen die begleitenden Weine. Wer mag, kann selbst aus den 900 unterschiedlichen Positionen wählen – die Flasche ab 30 bis über 1.000 Euro. Doch diese Mühe sollten sich die Gäste sparen. Somelier Maxime, der perfekt Französisch, Englisch und Deutsch spricht, hat ein stilsicheres Händchen bei der perfekten Weinauswahl zu den vier Gängen. Pro Abend werden maximal 38 Gäste glücklich gemacht. Wer wie Gott in Bordeaux speisen und trinken möchte, sollte einen Platz im Vivants langfristig vorher reservieren, da das Restaurant – wenig überraschend – meist ausgebucht ist.

Made in France
Ebenfalls empfehlenswert ist das Michel’s, in das viele Beschäftigte aus den umliegenden Läden gehen. Besonderheit: Es erhöht auch in der Hauptsaison die Preise nicht. Auch der Chef von w.a.n. speist hier regelmäßig. Charles Burke ist in Karlsruhe aufgewachsen. Er hat vor 17 Jahren mit w.a.n. (https://www.wanweb.fr/) den ersten Conceptstore in Frankreich eröffnet, der ausschließlich Produkte verkauft, die in Frankreich hergestellt werden. Und zwar vornehmlich Bioprodukte. Der Inhaber berät profund und hat viel Humor. Laut Google hat der Laden von 10.02 Uhr bis 19.04 geöffnet. W.A.N., das steht für „we are nothing“, ist eine Perle. Unbedingt reingehen und darüber staunen, was für tolle Produkte in Frankreich hergestellt werden. Der Laden zeigt eindrücklich: Frankreich und vor allem die Stadt und Region Bordeaux können viel mehr als Wein und gutes Essen. Aber schon Essen und Wein allein genügen als Grund für eine Bordeaux-Reise. Kunst, Kultur und Architektur sind dann sozusagen der Bonus.

Über den Autor*Innen

Thomas Rentschler

Thomas Rentschler

Thomas Rentschler ist im Schwarzwald aufgewachsen und hat nach einer kaufmännischen Ausbildung bei einer Nachrichtenagentur und auf der Akademie für Publizistik in Hamburg das journalistische Handwerkszeug erlernt und anschließend sowohl als festangestellter Reporter und Redakteur sowie freier Mitarbeiter unter anderem für die Nachrichtenagentur dpa, Zeitungen (Financial Times Deutschland, taz, WAZ, Welt am Sonntag), Zeitschriften (Focus, MAX, Wirtschaftswoche), Hörfunk (Deutschlandfunk, Korean Broadcasting System, NDR, Radio Zürisee, WDR) und TV (MDR) im In- und Ausland (Schweiz, Spanien u