Genussfreak: „Wie kam Ihnen die Idee, eine Whisky-Destillerie zu gründen? Gab es bereits eine Leidenschaft dafür in Ihrer Familie?“
Annabel Thomas: „Die Idee entstand aus zwei Gründen. Zum einen liegt der Bauernhof meiner Familie an der Westküste Schottlands, einer Gegend, die stark mit Whisky verbunden ist. Mein Vater hatte die Idee, eine Whisky-Destillerie in einigen unserer wunderschönen alten Gebäude auf dem Hof zu errichten. Für mich persönlich war es jedoch das Gefühl, dass Nachhaltigkeit und Kreativität in Scotch Whisky nicht wirklich erforscht sind, und ich fand, dass sich das ändern muss. Ich halte Nachhaltigkeit für äußerst wichtig, (.) und ich hatte das Gefühl, dass jemand in der Branche den Weg weisen muss. Also begannen wir mit der Planung einer Destillerie, die mit erneuerbarer Energie betrieben wird, biologische Gerste verwendet, ein geschlossenes Kühlsystem nutzt und so gut wie keinen Abfall produziert.“
Genussfreak: „Wie haben Sie es geschafft, die finanziellen Ressourcen für Ihre Destillerie aufzubringen?“
Annabel Thomas: „Das war schwer - unsere Destillerie hatte keine frühen Produkte vorzuzeigen, sondern nur einen Plan, eine Gruppe von Menschen und in unserem Fall eine wunderschöne Lage. Es hat lange gedauert (zwei Jahre), viel Durchhaltevermögen und ein wenig Glück erfordert, um unsere privaten Investoren zu finden.“
Genussfreak: „Wie fühlen Sie sich als Frau in der von Männern dominierten Whisky-Welt?“
Annabel Thomas: „Die meiste Zeit denke ich ehrlich gesagt gar nicht darüber nach - die Branche ist sehr wohlwollend, in unserem Team sind mehr Frauen als Männer, und wir machen einfach unser Ding. Aber andererseits hoffe ich, dass ich mehr Frauen dazu ermutigen kann, sich mit Whisky zu beschäftigen - entweder als Beruf oder einfach, um Whisky auszuprobieren! Zum Beispiel bieten wir einmal im Jahr eine Arbeitswoche für zwei Frauen an, um das Destillieren von Whisky zu erleben, und ich hoffe, dass dies die vielfältigen Rollen in der Branche für Menschen aus jedem Hintergrund aufzeigt.“
Genussfreak: „Welche Schwierigkeiten und Widerstände mussten Sie als Frau in der Welt des Whiskys überwinden, oder haben Sie immer noch damit zu kämpfen?“
Annabel Thomas: „Ich schätze mich glücklich, dass ich als Frau nicht wirklich auf größere Schwierigkeiten gestoßen bin Aber es gibt viele ziemlich alberne Kommentare - Leute fragen mich, ob ich Whisky wirklich mag (sie würden niemals einen Mann fragen, der eine Destillerie gegründet hat, ob er Whisky wirklich mag!) und andere, die "erwarten", dass mein Ehemann ebenfalls im Geschäft tätig ist. Daher denke ich, dass wir bei Nc'nean und in der Branche hart daran arbeiten müssen, diese veralteten Stereotypen zu durchbrechen.“
Genussfreak: „Glauben Sie, dass Sie als Frau einen Whisky speziell für Frauen kreieren sollten? Wer ist die Zielgruppe für Ihre Whiskys?“
Annabel Thomas: „Nein, ich bin fest davon überzeugt, dass wir keinen "Whisky für Frauen" entwickeln sollten. Ich glaube nicht, dass wir die Geschmackspräferenzen von Frauen verallgemeinern können, und ich glaube auch nicht, dass es richtig ist zu behaupten, dass Frauen keinen "normalen" Whisky mögen. Aber was ich denke, ist, dass a) wir Whisky auf eine Art und Weise kommunizieren müssen, die auch Frauen anspricht und b) sicherstellen, dass sich jeder beim Trinken von Whisky, auch mit Eis, Wasser, Soda, wohlfühlt. Ich glaube, dass der altmodische Glaube, dass man Single Malt pur trinken muss, eine Barriere für neue Whisky-Trinker darstellt – egal ob Frauen oder Männer.“
Genussfreak: „Warum haben Sie sich entschieden, momentan keinen getorften Whisky zu kreieren? Können Sie sich vorstellen, in Zukunft torfige Whiskys zu produzieren?“
Annabel Thomas: „Es gibt zwei Gründe dafür: Der erste Grund ist, dass die Verwendung von Torf nicht im Einklang mit unserer nachhaltigen Ethik steht. Das Abgraben eines antiken, unersetzlichen Torflands und dessen Verbrennung ist nicht gut für die Umwelt. Zudem handelt es sich um einen sehr wichtigen und artenreichen Lebensraum, den ich nicht weiter angreifen möchte. Der zweite Grund ist, dass Nc'nean existiert, um neue Menschen in die Welt des Whiskys einzuführen, und ich denke, dass der rauchige Geschmack des Torfs anfangs schwieriger zu genießen ist.“
Genussfreak: „Wohin glauben Sie, entwickelt sich die Welt des Whiskys in Bezug auf Stil und Zielgruppen?“
Annabel Thomas: „Das ist keine einfache Frage, auf die es wohl auch keine allgemeine Antwort gibt. Es gibt definitiv auch andere Brennereien, die versuchen, ein jüngeres und vielfältigeres Publikum anzusprechen, so etwa Johnnie Walker mit den Highball-Rezepten oder Glenmorangie mit ihrem Glenmorangie X, der als Whisky für Mixgetränke angepriesen wird. Aber es gibt auch viele, die immer noch den typischen Whisky-Trinker ansprechen, das heißt ein männliches, eher älteres Publikum. Was den Stil betrifft, haben die neuen Brennereien sehr unterschiedliche Ausprägungen, und ich glaube nicht, dass die älteren Destillerien im Moment ihren Stil signifikant ändern. Die gute Nachricht ist, dass es wirklich einen Whisky für jeden gibt - man muss ihn nur finden!“
Zum Bericht über die Nc'nean Whisky Distillery...
(München, 02.08.2023)
Über den Autor*Innen
Susanne Wess - Peter Dippold
Susanne Wess arbeitet nach langer redaktioneller Tätigkeit beim TV seit 1999 als freiberufliche Journalistin und Autorin. Ihre Schwerpunkte sind Reisen, Wellness und Lifestyle, sowie Food und Wein. Peter Dippold war viele Jahre beim Bayerischen Rundfunk tätig. Seit 2009 arbeitet er freiberuflich als Journalist in den Bereichen Film, Lifestyle und Reisen. Seine Schwerpunkte sind u.a. Wein und Whisky sowie Südostasien, Schottland und südliches Afrika.