Er ist zweifellos der Shooting-Start in der deutschen Sekt-Szene: Niko Brandner vom Sektgut Griesel & Compagnie in Bensheim an der hessischen Bergstraße. Eigentlich war er Bänker, bis ihm mit Mitte 20 die Materie zu trocken wurde und er sich lieber Flüssigerem zuwandte. Ein duales Önologie-Studium in Neustadt mit Praxisteil beim Rotweinpapst Paul Fürst in Bürgstadt am Main, anschließend ein längeres Hineinhorchen, Riechen, Schmecken, Schlotzen bei Sektguru Volker Raumland im rheinhessischen Flörsheim-Dalsheim, ein Zusammentreffen mit Jürgen Streit und Petra Greißl-Streit – das waren die Zutaten für seinen radikalen beruflichen Wandel.
Das Unternehmerehepaar hatte an der Bergstraße erst das Weingut Schloss Schönberg gekauft und es zu einem der besten Erzeuger in diesem kleinen Anbaugebiet gemacht. Wenige Jahre später erwarben sie auch Gebäude und Keller der ehemaligen Hessischen Staatsweingüter Bensheim in der Grieselstraße. Der Name Griesel kommt von Grus, was so viel heißt wie verwitterter Granit. Und von dem gibt es in dem schmalem Streifen südlich von Darmstadt genug. Die Straße sollte Namensgeber werden für Griesel & Compagnie. Seit 2013 und damit von Anfang an ist Niko Brandner hier der „Herr der Bläs’chen“.
Große Klasse aus winzigem Anbaugebiet
Der Quereinsteiger ist im positiven Sinne des Wortes ein Sektverrückter, der seine Qualitätsansprüche nicht nur an der deutschen Spitze ausrichtet, sondern auch darüber hinaus. Klar, Champagner darf er seine Erzeugnisse nicht nennen, auch wenn ihre Qualität locker mit dem französischen Luxustropfen mithalten kann. Seit zehn Jahren wird der gebürtige Odenwälder mit Auszeichnungen und Preisen geradezu überschüttet, egal ob von Eichelmann, Meininger, Vinum oder Falstaff. Und das in einem Anbaugebiet, das gerade einmal gut 450 Hektar oder 4,5 Quadratkilometer groß ist, das die wenigsten kennen und aus dem die allerwenigsten deutschen Weintrinker jemals etwas getrunken haben. Schon gar keinen Sekt.
Bereits 2016 begann Niko Brandner damit, erste Lagensekte zu produzieren. Die Grundweine stammen aus kleinen Parzellen, jede nur rund einen Viertel Hektar groß, im Osten des Bensheimer Ortsteils Auerbach. Jede Parzelle steht für weniger als 1.000 Flaschen. Entsprechend exklusiv (und damit nicht ganz billig) sind die Sekte, die sehr lange auf der Hefe lagern. Jetzt wurden die neuen Griesel-Lagensekte der Jahrgänge 2019 und 2018 vorgestellt.
Geschwister, aber keine Zwillinge
Aus den beiden Einzellagen Auerbacher Fürstenlager und Auerbacher Höllberg werden jeweils ein Pinot Blanc und ein Pinot Noir als Grundweine verwendet. Trotz ihrer Nachbarschaft sind Böden, Topographie und Klima der beiden Lagen ganz unterschiedlich. Das Fürstenlager wird dominiert vom Granit und ist kühler. Der Höllberg wiederum besteht aus dem mit Granit verwandten Diorit und ist dick mit Lösslehm bedeckt. Zwei Lagen, zwei Rebsorten – das ergibt vier höchst unterschiedliche Sekte.
Die 2019er lagen 45 Monate auf der Hefe, der 2018er sogar 60. Degorgiert wurden die vier Sektgeschwister Ende Mai mit Dosage Zero. Allesamt brauchen sie noch ein, besser zwei Jahre Reife, bis sie den vollen Trinkgenuss bieten. Der auch international angesehene Champagnerspezialist Gerhard Eichelmann bewertete die vier Gewächse durchgehend mit 91 und 92 Punkten. In den Handel kommen sie zu einem Preis von jeweils 80 Euro pro Flasche.
Niko Brandners Handschrift bei der Sektherstellung ist eine puristische. Handlese, Ganztraubenpressung, keine Schönung oder Filtration, spontane erste Gärung, keine oder allenfalls minimale Schwefelung. Das Sortiment ist dreistufig aufgebaut mit den Linien Tradition, Prestige und Exquisit. Die Einstiegspreise liegen bei knapp 20 Euro die Flasche.
Griesel & Compagnie
Grieselstraße 34
64625 Bensheim
Tel. 06251/8696891
griesel-sekt.de
Über den Autor*Innen
Klaus Pfenning
Klaus Pfenning wuchs am Rande des Odenwalds auf – und damit eher mit Apfelwein. Erst im frühen Erwachsenenalter wurde ihm bewusst, dass sich auch aus anderen Früchten wunderbare Weine herstellen lassen. Vor allem aus Trauben, weißen wie roten. Vor 30 Jahren verlegte der Naturliebhaber seinen Lebensmittelpunkt an die Badische Bergstraße. Von dort aus kann er nicht nur den heimischen Winzern bei der Arbeit zuschauen. Sondern auch hinüberblicken in die Pfalz und nach Rheinhessen. Dem wachsenden Interesse am Wein konnte das nicht schaden.