Syrah kam früher aus Südfrankreich, Tempranillo aus Spanien und Nebbiolo aus dem Piemont. Tun sie immer noch. Nur eben nicht nur. Der Klimawandel hat nicht nur seine Schatten-, sondern buchstäblich auch seine Sonnenseiten. Es wird immer wärmer in deutschen Landen. Und entsprechend fühlen sich auch zunehmend mehr Rebsorten bei uns wohl, die früher ausschließlich in südlicheren Breitengraden heimisch waren.
Beispiel Chardonnay. Ursprünglich hatte er seine eher schlanke Heimat in Burgund, später erwarb er sich einen zweifelhaften buttrig-fettigen Ruf in Kalifornien. „ABC – Anything but Chardonnay“ lautete einige Zeit die Devise. Mit dem Vormarsch nach Deutschland hat sich dies geändert. Gut 2.500 Hektar werden hier zwischenzeitlich angebaut, etwa zwei Prozent der Rebfläche. „Chardonnay fühlt sich überall wohl“, ist Sommelière Verena Herzog vom Deutschen Wein-Institut überzeugt. Ähnlich wie der vor allem Neuseeland zugeschriebene Sauvignon Blanc (1.800 Hektar) und der französische Merlot (835 Hektar) gehört er heute fast schon zum Standardprogramm deutscher Winzer. Wobei sicherlich auch eine Rolle spielt, dass ein Teil der deutschen Weintrinker lieber Tropfen mit ausländischem Namen mögen („Grauburgunder mag ich nicht, ich trinke lieber Pinot Grigio als“). Das gilt auch für Cabernet Sauvignon, mit 470 Hektar der Nummer vier auf der „Immigrantenliste“.
Auf dieser tauchen mehr rote als weiße Sorten auf. Kein Wunder, schließlich sind diese widerstandsfähiger gegen höhere Temperaturen. Dies erkennt man vor allem im Rotweinland Baden-Württemberg. Das Weingut Maier im württembergischen Schwaikheim beispielsweise erzeugt auch Cabernet Franc, klassischer Bestandteil der großen Bordeaux-Cuvées. Der bekennende Querkopf Hans-Peter Ziereisen aus dem südbadischen Efringen-Kirchen baut einen Syrah an und im schlank-kühlen Stil eines Pinot aus. Die Winzergenossenschaft im benachbarten Auggen hat neben dem österreichischen Zweigelt mit 300 Stöcken Nebbiolo sogar einen für hiesige Verhältnisse absoluten Exoten im Programm. Die Erklärung: Weine der WG wachsen auch in Sulzfeld – und die 2.800 Einwohner zählende Gemeinde pflegt eine Städtepartnerschaft mit dem piemontesischen Edelweinort La Morra in der Nähe von Barolo. Und den tiefdunklen Lagrein findet man nicht nur in Südtirol, sondern auch bei den Oberkircher Winzer in der Ortenau.
Hochdekorierte Winzer wie Steffen Künstler aus dem Rheingau und die Brüder Knipser aus der Pfalz wiederum experimentieren mit weißen „Immigranten“. Künstler etwa mit dem frischen, umgänglichen Alvarinho aus dem Norden Portugals und dem äußersten Westen Spaniens. Und die Knipsers mit dem hierzulande ebenso weitgehend unbekannten, opulent fülligen Marsanne von der nördlichen Rhone. Potenzial in Deutschland schreibt man auch dem Grünen Veltliner aus Österreich zu. In der Alpenrepublik eher als einfacher Alltagswein bekannt, entwickelt er bei der Koproduktion der Weingüter Retter und Hammel aus der Pfalz durchaus komplexe Strukturen. Insgesamt werden von dieser Rebsorte in Deutschland gut 40 Hektar angebaut. Vom roten „Spanier-Exoten“ Tempranillo sind es etwa 15.
Über den Autor*Innen
Klaus Pfenning
Klaus Pfenning wuchs am Rande des Odenwalds auf – und damit eher mit Apfelwein. Erst im frühen Erwachsenenalter wurde ihm bewusst, dass sich auch aus anderen Früchten wunderbare Weine herstellen lassen. Vor allem aus Trauben, weißen wie roten. Vor 30 Jahren verlegte der Naturliebhaber seinen Lebensmittelpunkt an die Badische Bergstraße. Von dort aus kann er nicht nur den heimischen Winzern bei der Arbeit zuschauen. Sondern auch hinüberblicken in die Pfalz und nach Rheinhessen. Dem wachsenden Interesse am Wein konnte das nicht schaden.