Gaumenfreuden in den Cevennen

Gaumenfreuden in den Cevennen - La Lozerette in Cocurès/Frankreich - (c) Klaus Pfenning

Cocurès scheint nicht gerade der Nabel der Welt. Weder geopolitisch noch kulinarisch. Das 200 Seelen-Dorf liegt am westlichen Rand der französischen Cevennen. Dort, wo sich das Flüsschen Tarn auf den Weg durch seine berühmten Schluchten vorbereitet. Ein paar Dutzend Häuser aus Naturstein, eine Kirche, ein Postamt. Auch das einzige Hotel-Restaurant am Platz, das La Lozerette, macht auf den ersten Blick einen eher unscheinbaren Eindruck. Wer dagegen genauer hinschaut, dem offenbart sich schon von außen schnell etwas durchaus Reizvolles. Die Balkone der Hotelzimmer sind von einem blutroten Geländer umfasst, aus dem die Silhouette eines Kastanienbaums hervorsticht. Das Motiv kommt nicht von ungefähr: die Kastanie war über Jahrhunderte der Brotbaum der einst bitterarmen Cevennen.

Pierrette Agulhon ist hier aufgewachsen. Nach einem Studium im 120 Kilometer entfernten Montpellier ist sie schon vor vielen Jahren in ihre Heimat zurückgekehrt und betreibt dort in dritter Generation das kleine Hotel-Restaurant La Lozerette. Im Gespräch mit der 63-Jährigen wird schnell klar, dass es für sie Berufung ist und nicht allein Beruf. So wie es sich für eine „richtige Patronne“ in der tiefsten französischen Provinz gehört. Das Departement Lozère, von dem sich der Name La Lozerette ableitet, ist das am schwächsten besiedelte im ganzen Land.

Warm und liebevoll – mit keinen anderen Worten lässt sich die Atmosphäre hier besser beschreiben. Egal ob im Speisesaal mit seinen cognacfarbenen Fliesen und den hellen Holzbalken an der Decke. Egal ob in einer Leseecke neben der Bar mit einem rustikalen Holztisch und bunten Sesseln. Oder in einem schattigen Garten jenseits der nur wenig befahrenen Straße am Oberlauf des Tarn. Die meisten Zimmer sind nicht gerade luxuriös ausgestattet, dafür voller Charme.

Pierrette Algulhon liebt das Understatement. Dass sie ausgebildete Sommelière ist, lächelt sie lieber weg. Die Weinkarte, besser: das Weinbuch wiegt rund ein Kilo und umfasst rund 300 Positionen. Pierrettes Credo: ausgeschenkt werden ausschließlich französische Weine, vom Elsass über das Burgund und Bordeaux bis in die Provence und nach Korsika. Die Beratung: genauso unaufdringlich wie kompetent, nicht am Flaschenpreis orientiert, sondern an den Wünschen der Kunden und den Speisen.

Die Menues: bodenständig, aber auf hohem Niveau. Die Zutaten stammen fast ausschließlich aus der Region, die meisten von ihnen haben Bioqualität. Das Rindfleisch etwa kommt aus der einsamen Berglandschaft des Aubrac, das Magret de Canard von den Entenzüchtern der Cevennen, der Käse ausschließlich aus dem heimischen Département Lozère.

Mit Fabrice Quérol als Chefkoch hat Pierrette Agulhon einen Glücksgriff getan. Der Südfranzose hat zuvor in etlichen anderen, sehr renommierteren Häusern gekocht. Mit viel Stress, wie er erzählt. Hier in Cocurès hat er seinen Platz gefunden. Klein, überschaubar, fein. Und ausgestattet mit viel Freiraum, in dem er seine Liebe zur gehobenen Kochkunst ohne den in der Branche üblichen Druck ausüben kann.

„Unsere Teller lügen nicht“, versprechen Pierrette und Fabrice. Stattdessen spiegeln sie eine höchst authentische, mit viel Sorgfalt zubereitete Landküche des südlichen Zentralmassivs wider. Da juchzt sich nicht nur der Gaumen, auch der Geldbeutel freut sich. Nicht mehr als 52 € kostet das viergängige Menue Gourmand.

La Lozerette 
48400 Cocurès
www.lalozerette.com
lalozerette@wanadoo.fr 
+33 (0)4 66 45 06 04 

Über den Autor*Innen

Unser Autor Klaus Pfenning

Klaus Pfenning

Klaus Pfenning wuchs am Rande des Odenwalds auf – und damit eher mit Apfelwein. Erst im frühen Erwachsenenalter wurde ihm bewusst, dass sich auch aus anderen Früchten wunderbare Weine herstellen lassen. Vor allem aus Trauben, weißen wie roten. Vor 30 Jahren verlegte der Naturliebhaber seinen Lebensmittelpunkt an die Badische Bergstraße. Von dort aus kann er nicht nur den heimischen Winzern bei der Arbeit zuschauen. Sondern auch hinüberblicken in die Pfalz und nach Rheinhessen. Dem wachsenden Interesse am Wein konnte das nicht schaden.