Wie so oft hat Erfolg auch seine Schattenseiten. Die große Nachfrage nach Amarone und Ripasso erzählt eine solche Erfolgsgeschichte und zeigt auch die negativen Entwicklungen auf. Sowohl der Amrone als auch der Ripasso sind weniger die Visitenkarte einer Weinregion, sondern vielmehr das Synonym für eine Technik Wein zu produzieren. Inzwischen gibt es vielerlei Bestrebungen dem ungehenden Wachstum der Produktionsmengen dieser beiden Weine entgegen zu wirken. Wein(Genuss)freak hat sich mit Stefano Cesari, vom landwirtschaftlichen Betrieb Brigaldara, über die Thematik unterhalten. Er schlägt eine genaue Analyse über die Zukunft einer Bezeichnung und ihres Anbaugebietes vor und führt eine zukunftsgerichtete Debatte.
Auf über 30.000 ha Fläche in der Provinz Verona hat das Valpolicella in den letzten 20 Jahren einen zunehmenden Erfolg genossen, der insbesondere weltweit erfolgreichen Bezeichnungen wie Amarone und Ripasso zuzuschreiben ist. Das beweist das Wachstum der Mengen und der Anbaugebiete: was den Amarone angeht, ist das Wachstum nämlich von 5.400 ha für insgesamt 7 Millionen Flaschen jährlich im Jahre 2001 auf fast 8.300 ha für 17 Millionen Flaschen im Jahre 2019 gestiegen; ebenso ist auch die Produktion von Ripasso übermäßig gestiegen, auf bis zu 30 Millionen Flaschen.
Wie die Daten der letzten 20 Jahre zeigen, hat der große Erfolg von Amarone und Ripasso den Doc Valpolicella als einen dritten Wein auf eine untergeordnete Position verbannt, angefangen bei der Traubenauswahl bis zur Marktstellung. Um die rasante Produktion von einem „Amarone um jeden Preis“ und die folgenden negativen Auswirkungen auf den Markt einzudämmen, wendet die Genossenschaft 2019 einschränkende Maßnahmen an, um den Produktionsboom zu bremsen: Stopp neuer Anlagen für drei Jahre, Senkung der Auslese der für die Trocknung bestimmten Trauben für Amarone und Recioto von 65% auf 40% und Senkung der Erträge von 120 auf 110 Doppelzentner pro Hektar.
Amarone und Ripasso bezeichnen am Ende nicht so sehr den Ausdruck eines besonders geeigneten Anbaugebietes, sondern vielmehr die speziell angewandten Vinifikationstechniken, so dass man sozusagen zu einem richtigen stilistischen Gigantismus kommt. In diesem Zusammenhang von Markt und Entwicklung des Geschmacks ist es wichtig, das önologische Projekt zu überdenken, angesichts der zunehmenden Wertschätzung von eleganteren und leichteren Weinen im Burgunder Stil, im Gegensatz zu den alkoholischen und zuckerhaltigen, besonders im Marktsegment der „Fine Wines“.
Stefano Cesari, ehemaliger Präsident der Valpolicella Genossenschaft, ist davon überzeugt, dass ein Richtungswechsel nötig ist: „Wir handeln, um einen großen Valpolicella Superiore aus frischen Trauben zu erzeugen. Es geht um ein auf gemeinsamen Eckpfeilern basierendes Projekt, an dem wir zusammen mit anderen Betrieben der Gegend arbeiten, das erst einmal einen für diese Produktion bestimmten Weinberg vorsieht, in dem vorher keine Auslese der Trauben für den Amarone stattgefunden hat. Ziel ist es, zu experimentieren und zu verstehen welche Weinbautechniken am besten die Territorialität dieser Weine hervorheben.“
2016 hat Brigaldara daher ein Projekt zur Aufwertung des Valpolicella Superiore auf den Weg gebracht, das bei der Vinifikation der frischen Trauben beginnt und die Struktur mit einer optimalen Trinkbarkeit verbindet. Man arbeitet diesbezüglich an einer neuen Interpretation der dafür besonders geeigneten Weinbaugebiete, insbesondere des Weinbergs Case Vecie. Mit einer Ausrichtung nach Südwesten und einer Höhe von ca. 450 m ü.d.M. werden die Erträge aus diesem Weinberg auf natürlichem Wege beschränkt und durch die Traubenausdünnung zusätzlich unter Kontrolle gehalten, so dass der Endertrag 2 kg je Weinstock beträgt. Diese Gegend wird im Süden von einem lehmig-sandigen Boden gekennzeichnet, der hauptsächlich mit Corvina bepflanzt wurde; im Westen, wo der Boden karger und steiniger ist und die Weinstöcke ins Tuffgestein graben, hat man Corvinone angebaut.
Der Charakter dieser Böden ermöglicht die Erzeugung eines frischen und trinkbaren Weines, mit eleganter Stilnote, perfekt für den täglichen Gebrauch und zu einem niedrigeren Preis als der Amarone. Man sollte sich aber nicht nur auf den Begriff der Trinkbarkeit fokussieren, da dem Valpolicella Superiore, genauso wie anderen italienischen ikonischen Weinen, Brunello, Barolo, Chianti Classico, edle Eigenschaften innewohnen: eine gute Gerbstoffqualität, eine reiche aromatische Palette, deutliche Dynamik und Territorialität, verbunden mit einem außerordentlichen Alterungspotential. Jedoch öffnet sich der Valpolicella ohne Auswirkung der Trocknung einem frischen, zarteren Aroma, mit verschiedenen Kirschnuancen, begleitet von einer charakteristischen Würzung, mit dem Pfeffer als Hauptvertreter. Zuletzt verbleiben im Munde die Frische und Dynamik, der Abgang ist anhaltend und lädt zu einem weiteren Schluck ein.
Unter dem Gesichtspunkt der Aufwertung des Gebietes werden für den Valpolicella Superiore alle örtlichen Rebsorten genutzt, und zwar 55% Corvina, 35% Corvinone und 10% Rondinella, aber in Zukunft, sofern die Bestimmungen es erlauben, sollten nur die ersten zwei Rebsorten genutzt werden. Dann wäre Corvinone bei den warmen und trockenen Jahrgängen die bevorzugte Rebsorte, während Corvina hätte bei den feuchteren und kälteren Jahrgängen den Vorrang.
Über den Autor*Innen
Jörg Bornmann
Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.