Valencia liegt an der Ostküste von Spaniens direkt am Mittelmeer. Dazu gehören die drei Provinzen Castelleón und Alicante. Auch die bekannte Costa Blanca zählt zu dieser Region. Die prächtige Stadt am Fluss Turia hat ihren Namen Valencia, die Kräftige, durchaus verdient. Denn der Kampf mit sehr häufigem Hochwasser über Jahrhunderte lang, wurde erst im 20. Jahrhundert beendet. Man entschied, den Turia, der durch die Mitte Valencias floss, auszutrocknen und dafür ein neues Flussbett am Rande der Stadt zu schaffen. Architekt Santiago Calatrava verwandelte das ehemalige Flussbett in den „Gardin del Turia“, das nicht nur als ein Meisterwerk der Landschaftsarchitektur gilt, sondern auch zum wahren Dorado für die Valencianos wurde.
Doch das Wasser von Valencia, schon zu Römerzeiten geschätzt wegen seiner Fruchtbarkeit, wurde von den Mauren mit Bewässerungskanäle kultiviert. Noch heute wird das Umland, die sogenannte „Huerta“ (Gärten), mit einem stetigen Wasserzufluss für Gemüse und Früchte frisch erhalten. Wir dürfen den 2-Sterne-Koch Ricard Camarena und Toni Massiano, den Landwirt begleiten bei ihrem täglichen Erntegang über die ein Hektar große Anbaufläche, die nur acht Kilometer von Camarenas Restaurant entfernt liegt. „Alles biologisch“, meint der 47-jährige Starkoch, während er sorgsam Auberginen, Tomaten und reife Zucchiniblüten für seine Menüs auswählt. Auf diesen Feldern werden auch die „Chufas“ (Erdmandeln) angebaut, aus denen man die "Horchata" (Erdmandelmilch) herstellt. Sie ist ähnlich einer Mandelmilch, schmackhaft und gesund. Wir bekommen einen Becher zum Probieren. Eisgekühlt schmeckt das gesunde Getränk fein und erfrischend.
Agrikultur á la carte
Jetzt sind wir gespannt auf das Sternemenü, das in einer ehemaligen Pumpenfabrik („Bombas Gens“) stattfindet, die im minimalistischen Stil, mit Holz und Stein gestylt ist. Nach einem fruchtigen Cocktail an der Bar, gibt es eine Einführung in die Kochkunst des Meisters, der in der eleganten, weißen Kochjacke Erklärungen zu den Produkten und ihrer Zubereitung gibt. Begleitet von raffiniert angerichtetem Amuse-Gueule, wächst bei uns die Neugierde auf den Geschmack zum Beispiel von sechs Jahre eingelegten Sardellen mit Brotfrucht oder Thunfisch mit Johannisbrotpulver. „Ich verwende kein Salz, sondern „Valencia Salumeria“, das ist die konzentrierte Essenz der sechs Jahre eingelegten Sardellen,“ verrät Cameron. „Die Gemüseprodukte kommen stets frisch vom Feld. Denn wir legen besonderen Wert auf Agrikultur á la carte und halbkonservierte Produkte, damit der Geschmack erhalten bleibt“.
Wir haben Platz genommen an einem großen, weiß eingedeckten, runden Tisch. Nacheinander werden die insgesamt 17 Gänge serviert. In der einsehbaren, aber verglasten Küche werkeln und handtieren die zehn Köche:innen. Konzentriert und fast lautlos bereiten sie die Gerichte zu. „Unser Speiseservice,“ so Cameron, „kommt aus Japan und ist handgemachte Keramik.“ Jeder Gang wird auf kunstvoll gestalteten Tellern, Platten oder Schalen serviert, was den Wert der Produkte noch erhöht. Frische, spanische Bioweißweine begleiten die Gerichte. Wir genießen zum Beispiel Spargel, Caviar Cream und Kokosnuss, Reiscreme mit Schafbutter und Bergkräuter, Rote Beete mit Ziegenmilch, Walderdbeeren und Fenchel oder gebratene Aubergine mit japanischem Miso. Der Geschmacksreichtum ist sinnlich kaum zu erfassen. Aber es bleibt das Natürliche, Unverfälschte der einzelnen, regionalen Produkte, die es auf diese Weise zubereitet geschmackliche Entdeckungen und Neuland sind. Zu den Desserts zählt ein Mandel Nougatkuchen, der die Speisefolge abrundet.
Altstadt mit Charme
Diese Finesse des Geschmacks findet sich in Valencia auch in der Architektur wieder. Das Weltkulturerbe die Seidenbörse beispielsweise aus dem 15. Jahrhundert, damaliges Zentrum für die Seidenindustrie und zahlreicher Wirtschaftsgüter, wurde 1996 für Touristen zugänglich gemacht. Spätgotisches Kreuzrippengewölbe im Innern und die gotische Fassade lädt ein, das historische Gebäude zu besuchen. Prächtige und seltene Seidenstoffe kann man noch heute in speziellen Geschäften kaufen. Zu den „Fallas“, dem Frühlingsfest im März putzt sich Valencia ganz besonders heraus. Die Frauen tragen farbenfrohe Brokatseidenkleider und die schmuckvolle Haartracht wir mit Blumen und Zierkämmen geschmückt.
Erbaut auf einem römischen Tempel, entstand im 13. Jh. eine Moschee und später die Kathedrale von Valencia. Stile aus der Romanik bis zu Barock gestalten den Kirchenraum. Ihre Besonderheit ist die heilige Reliquie aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., ein jüdischer Segenskelch aus der hebräischen Tradition. Neben den Erben der Borgia beherbergt die Kathedrale Gemälde von Francisco de Goya und im Gewölbe der Apsis Fresken der Renaissance. Mit zu den besonderen Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt der „Mercado De Colón“, die Jugendstil Markthalle (1914-1928), wo die Gastronomiefans voll auf ihre Kosten kommen. Metzger, Fischhändler, Wurstwaren, farbenprächtige Obst- und Gemüsestände verkaufen ihre Ware unter einer wuchtigen, goldenen Kuppel mit Jugendstilmotiven verziert.
Beeindruckt von Camerons Kochkunst, wollen wir doch auch etwas von den traditionellen, spanischen Spezialitäten kennenlernen. Von den leckeren Tapas mit rohem Schinken, Fisch oder cremiger Kräuterpaste durften wir bereits kosten. Fehlt noch die Paella. Sie ist nämlich ganz typisch für Valencia. Bei einem Besuch in „Amasia Xamadreu & Paella“, etwas außerhalb der Stadt, liegt ein schmuckes Landgut, inmitten eines Orangenhains. Als wir ankommen, wird bereits in riesigen
Pfannen die Paella Valenciana vorbereitet. Sie wird mit Huhn- und Kaninchenstücken, grünen Bohnen und Pintobohnen, geschälte Tomaten, Wasser, Reis, Safran, Salz und Rosmarie mindestens 70 Minuten gekocht.
Am Ende unserer kulinarischen Tour durch Valencia, gibt es nochmal eine Überraschung und einen deftigen Abschluss in Form eines Frühstücks, das die Valencianos „Esmorzar“ nennen. Dafür besuchen wir ein Sportcenter für „Pelota“. Das ist ein beliebtes Mannschaftspiel aus dem Baskenland. Der schnelle Sport mit einem kleinen Lederball, spielt man, statt eines Schlägers mit einer bandagierten fast bloßen Hand. Bevor das Training beginnt, füllt sich schon früh das Sportlokal mit einheimischen Zuschauern. Es gibt knusprige Baguettes mit verschiedenen pikanten Füllungen, Schinken, Wurst, Bohnen, Steak Tatar. Aus der Spielhalle hören wir schon das Knallen des Spielballs. Doch unser Flieger wartet nicht, wir müssen uns auf den Weg machen.
Über den Autor*Innen
Eva-Maria Mayring
Nach dem Studium der Kunstgeschichte arbeitete die Münchnerin als Redakteurin bei der Passauer Neuen Presse und Münchner Merkur. Seit 2000 schreibt die inzwischen freie Journalistin vor allem für die Reiseseiten in Magazinen und Zeitungen. Besonders großen Spaß macht es ihr, für ausgefallene Geschichten in fremden Ländern zu recherchieren und dabei auch deren kulinarischen Köstlichkeiten kennenzulernen. Egal ob Bayern, Kärnten oder Canada Natur, Kunst und Genuss stehen ganz oben auf ihrer Liste. Und nach ihrem Studienjahr in Edinburgh hat sie ihre Liebe für Großbritannien entdeckt.