Große Zahlen, große Namen, unermesslicher Gaumengenuss, das war die 5. Landpartie auf dem Hofgut Dagobertshausen bei Marburg im oberhessischen Bergland.
Knapp 3.700 Flaschen Wein, 2.500 Rote Beete Knödel, 400 Kilo Scampis, 25.000 Gläser, 24.000 Teller, 48.000 Besteckteile, über 20.000 servierte Gerichte für 1.800 Besucher, dies sind nur einige Zahlen, die jedoch nur die Größe, aber nicht die Qualität der Veranstaltung widerspiegeln.
Die Qualität kann man an den Namen der teilnehmenden Gourmetspezialisten ausmachen. An den Kochtöpfen und Pfannen zeigen Nelson Müller, Alfons Schuhbeck, Horst Lichter, Hans Neuner, Roland Trettl, Kolja Kleeberg, , Umberto Napolitano, Ralf Bos und die Teams von Tom Heinzles Grillwerkstatt und Otto Gourmet ihr Können. Mit tollen sprudelnden und stillen Weinen verwöhnten Carlo Ferreni, Elisabetta Geppetti, Luis Pato, Herdade Dos Grous, Dirk Niepoort, Sekthaus Raumland, Weingüter Polz, Leitz, Am Nil, Gut Hermannsberg, Castello Di Buttrio, Fattoria La Valentina und Fattoria Carpineta die Gaumen der Besucher. Hans Reisetbauer rundete mit seinen Gin-Spezialitäten die Genusstour durch die Gärten des Hofgutes ab.
Doch starten wir einige Tage vor dem Genussfestival. Gerade habe ich die Einladung zur 5. Landpartie in der Nähe von Marburg erhalten. Ich habe in den vergangenen Jahren wohl immer wieder von der Veranstaltung gehört und gelesen, mich aber nicht näher um Informationen gekümmert. Das hole ich jetzt schnell nach und nachdem ich die Namen des Line-Up gelesen habe, ist schnell klar, dass ich an dem letzten Wochenende im Juni wie viele andere Genussfreaks nach Marburg pilgern werde.
Lange hatte ich meine Geburtsstadt Marburg nicht besucht und so fahren wir bereits am Samstag vor der Landpartie nach Oberhessen um diese schöne, moderne, quirlige Studentenstadt mit ihrer langen Historie zu besuchen. Nach einer ausführlichen Stadtbesichtigung beziehen wir unser Hotelzimmer im 5-Sternehaus VILA VITA Rosenpark. Abends fahren wir schon einmal nach Dagobertshausen um vom Hofgut einen ersten Eindruck zu gewinnen und uns im dortigen Landgasthof Waldschlösschen mit Produkten aus der Region und eigenem Anbau verwöhnen zu lassen. Dort bekomme ich auch das erste Mal einen Eindruck über die Größe der Veranstaltung. 1.800 Besucher werden zur morgigen Landpartie erwartet.
Am Sonntag nach einem ausführlichen Frühstück im VILA VITA Rosenpark geht es gegen Mittag mit einem Shuttle-Bus zum Hofgut. Direkt nach dem Einlass empfängt uns Volker Raumland mit 4-verschiedenen Sparklings. Glaubt man der Weinfachzeitschrift VINUM haben wir es bei dem Sekt aus Rheinhessen mit dem besten Sekt der Welt zu tun, so festgestellt bei einer Blindverkostung der weltweit besten Sparkling-Weine. Ich halte solche Vergleiche und Superlativen immer für schwierig bis unmöglich, doch gefallen mir der Cuvée Marie-Luise und der 2009er Blanc de Blanc wirklich hervorragend. Volker Raumland hat mit dem Riesling Sekt Brut und Rosé Prestige Brut zwei weitere wunderbare Tropfen dabei.
Weiter geht es in den ersten Innenhof und ab jetzt heißt es für uns sechs Stunden langen schlemmen und genießen. Im Durchgang zum Garten, in einer ehemaligen Scheune, hat sich Horst Lichter mit seinem Team niedergelassen. Wer kennt ihn nicht, den allseits beliebten Fernsehkoch. Und das merkt man auch an der Traube von Menschen, die ihn nach einem Selfie fragen, oder ein Autogramm möchten. Geduldig erfüllt er jeden Wunsch, hat für jeden Gast Zeit und einen netten Spruch auf den Lippen. Aber natürlich gibt es auch bei ihm etwas zu Essen ‚Tranchen von der Hähnchenbrust mit Rheinischem Durcheinander‘, ein echter Lichter eben.
Auch Alfons Schuhbeck bleibt seiner Linie treu und hat noch kurz vor der Veranstaltung seinen Menüpunkt geändert. Wer regelmäßig ‚Lanz kocht‘ geschaut hat weiß, Alfons Schuhbeck ändert gerne kurzfristig seine Rezeptkarten und auch heute gibt es anstelle der im Programmheft angegebenen ‚Fleischpflanzerl vom heimischen Reh mit Preiselbeer-Senf und Pfifferlings-Risotto‘ wunderbar getrüffelte Bandnudeln. Dazu trinken wir einen 2016er Rosé ‚Rosa Mati‘ von Elisabetta Gepetti und lassen uns ihren Kultwein den 2014er ‚Saffredi‘ auch nicht entgehen.
Mit Carlo Ferrini ist eine weitere italienische Weinmacher-Legende in Dagobertshausen. Er präsentiert uns einen 2013er Rosso di Montalcino. Dazu passen die ‚Original Südtiroler Rote Bete-Knödel mit Bergkäse, Nussbutter und Meerrettich-Kohlrabi‘ von Roland Trettl hervorragend. Viele Genussfreaks kennen Roland bereits durch das Salzburger Restaurant und der Sendereihe ‚Hangar 7‘, doch spätestens seit seinem Debüt bei ‚The Taste‘ in diesem Frühjahr ist der gebürtige Südtiroler auch einem breiten Publikum in Deutschland bekannt.
Gemütlich lassen wir uns von Stand zu Stand treiben, werden von Kolja Kleeberg mit einer ‚Gebackenen Kabeljaubrandade mit Kokos-Aioli und Salbei-Ananas‘ verwöhnt, genießen Douro Tinto von Dirk Niepport und entdecken sein neuestes Baby einen Moselriesling, bei dem der Weinvisionär auf eine allzu große Einflussnahme in der Weinbereitung verzichtet. Selektive Handlese, spontane Vergärung, kaum Schwefel und die Ausschöpfung der natürlichen Ressourcen haben zwei beeindruckende Mosel-Rieslinge Jahrgang 2015 entstehen lassen.
Mit einer bemerkenswerten, ernsten Professionalität geht Nelson Müller zu Werke und präsentiert den Landpartie-Besuchern ‚Geschmorte Kalbsbäckchen mit Mandelcreme, Navetten und Rosinen‘. Die Steirer Burschen vom Weingut Polz haben Weissburgunder, Sauvignon Blanc und Morillon aus dem südöstlichsten Zipfel Österreichs mitgebracht und auch die Terroir Rieslinge von Josi Leitz aus dem Rheingau überzeugen die Gaumen des fachkundigen Publikums.
Hans Neuner, der seinen Kochlöffel normalerweise an der Portugiesischen Algarve schwenkt, bereitet ein ‚Feijoado de Camaro‘ zu, einen Portugiesischen Bohneneintopf mit Felsengarnelen. Und der Trüffelkönig Ralf Bos zaubert ‚Gesmokte Spare Ribs auf Champagner Linsensalat‘. Natürlich werden diese noch mit einer ordentlichen Portion Trüffel versehen, bevor sie den Weg in die Münder der zahlreichen Genussfreaks finden.
Ob man auf Punkte-Systeme alla Parker steht, oder dies wie ich eher skeptisch sieht ist zunächst einmal egal. Es ist auf alle Fälle eine tolle Leistung in die Punkte-Riege der 100er aufzusteigen. Und so präsentieren Jens Reidel und Karsten Peter voller Stolz ihre Rieslinge vom ‚Gut Hermannsberg‘. In vergleichbaren Qualitätsbereichen bewegt sich bereits der Önologe Johannes Häge mit seinen Weinen vom ‚Weingut am Nil‘ und das nur 4 Jahre nach der Gründung.
Nicht alle Genussstände haben wir in sechs Stunden besucht, aber was wir probiert haben gehört ausnahmslos in den Genusshimmel aufgenommen. Die Landpartie hat für mich deutlich mehr gehalten, als sie eh schon mit der Vorankündigung versprochen hatte. Eine Gartenparty der absoluten Extraklasse, genussvoll und locker. Das gemischte Publikum sorgt dafür, dass die Veranstaltung nie einen elitären Touch bekommt, obwohl die Qualität ein sensationelles Niveau hat. Aufgelockert durch Musikeinlagen von ‚Krüger Rockt‘. Mit ihrer Mischung aus Rock ‚n‘ Roll, Swing und Rockabilly sorgen sie für gute Laune und schwingende Tanzbeine.
Als ich am Abend vor der Veranstaltung hörte, dass 1.800 Besucher erwartet werden hatte ich starke Bedenken, ob dies wirklich die gemütliche, genussvolle Gartenparty werden kann. Im Nachhinein muss ich sagen, das Hofgut Dagobertshausen verkraftet diese Besucherzahl ohne überfüllt zu wirken. Bei Gesprächen mit ‚Wiederholungstätern‘ habe ich dann noch erfahren, dass der genutzte Bereich im Verhältnis zum Vorjahr erweitert wurde, was der Gemütlichkeit sicherlich zuträglich war. So ist die Dagobertshäuser Landpartie auch in dieser Größenordnung eine wunderbare, sehr gelungene Veranstaltung, bei der jeder Genussfreak auf seine Kosten kommt.
Einen Besuch für das kommende Jahr sollten Gourmet-Affine bereits einplanen. Das Datum für die 6. Landpartie steht mit dem 24. Juni 2018 bereits fest. Karten werden über die Unternehmenswebseite der VILA VITA Marburg vila-vitamarburg.de im Laufe des Herbstes 2017 zur Verfügung stehen.
Zum Abschluss nehmen wir noch einen Absacker bei Hans Reisetbauer, vom Falstaff 2014 zum Meisterbrenner gekürt hat er für uns zwei verschiedene Gin-Sorten im Gepäck und mischt uns wahlweise einen ‚Sloeberry Gin‘ oder einen ‚Blue Gin‘ mit Fever Tree Tonic. Vielleicht sehen wir uns im Juni 2018 in Dagobertshausen, wir kommen sicher wieder. Und darauf stoßen wir noch einmal mit Hans Reisetbauer an.
Über den Autor*Innen
Jörg Bornmann
Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.