Es muss ja nicht immer alles beim Alten bleiben. Neuer Wein, neue Ideen und Konzepte für die fränkische Weinarchitektur, das hatten sich die Weinbauern vorgenommen. Denn die Konkurrenz ist groß. Sieht man zum Beispiel nach Frankreich, Italien, Österreich, Ungarn, Slowenien, von Übersee ganz schweigen, so ist dort die Moderne schon lange eingezogen.
Also gibt es viel zu tun für Architekten und Designer am Main. Bestand das klassische Weingut lange Zeit nur aus Weinberg, Keller und Wohnhaus, so fragt der Kunde heute nach dem Verkostungsraum, einem Weinshop oder Bistro. Auch die Lager- und Produktionsbereiche und die Räume für die Verarbeitung der Trauben, sind nun von allgemeinem Interesse.
Frischer Wind tut also gut. Diese Entscheidung trafen die fränkischen Weinbauern und begannen die bestehende, einfache Formensprache der Vergangenheit, sozusagen "die Wohnräume" des Frankenweins zu modernisieren. Mit der Umgestaltung der Vinothek Iphofen im Jahr 2000 begann die Neukonzeption in Sachen Weinarchitektur. Sollten doch auch die interessanten Bauobjekte, die nun bei vielen Winzern entstanden als Sehenswürdigkeit der gesamten Weinregion zugutekommen.
Auf der Vogelsburg, die 192 Meter hoch über der Mainschleife thront, genießen heute die Gäste im Wirtsgarten ihre Vesper und den Panoramablick über die fränkische Weinberglandschaft mit ihren säuberlich aufgereihten Rebstöcken. Die einstige Fliehburg der Kelten gilt als denkmalgeschützte Anlage und ist als Augustinerkloster für Ordensschwestern im Besitz des Juliusspital Würzburg. Der Architekt Frank Zumkeller sanierte den Altbau, angelehnt an die historische Vorgabe, fügte er ein Hotel mit Tagungsbereich hinzu und die ausladende Aussichtsplattform für Touristen (2015). Der auf Pfeilern gestützte Neubau erhält im Obergeschoss schmale hohe Türfenster, die die Fassade strecken und das Bauwerk leichter erscheinen lassen. Die Mauern aus gelbfarbenem Juramarmor fügen sich ganz natürlich in das Gebäudeensemble und verleihen der als Kraftort bekannten Vogelsburg nach 1140 Jahren zeitgemäße Architektur auf historischer Grundlage.
Barocker Dachstuhl
Im 800 Jahre alten Weinort Frickenhausen im Besengau liegt das Anwesen Meintzinger am Babenbergplatz. Seit gut 220 Jahren ist das heutige Weingut und Hotel im Besitz der Familie Meintzinger. Zuvor dienten die großzügigen Räumlichkeiten als Sommerresidenz der Würzburger Fürstbischöfe. Das Gebäude wurde 2015 von dem Architektenbüro Reinhard May modern und zeitlos elegant umgestaltet. Heimischer Muschelkalk und Hölzer aus der Region gestalten die Lobby und die Weinlounge offen und luftig. Der "Cube", ein imposanter Konferenzraum aus Glas befindet sich im Dachstuhl unter den original mächtigen Holzbalken, die noch aus der Barockzeit stammen. Die dezente Innengestaltung des Hotels nimmt die Geschichte des Weinguts mit seiner fürstlichen Vergangenheit farblich und im Design wieder auf. Farbkombinationen wie erdige Brauntöne und Schiefergrau, kombiniert mit Cremeweiß verleihen dem modernen und antiken Mobiliar einen besonderen Charakter. Ganz bestimmt schätzen Weinliebhaber und Gäste das neue, stilvoll gestaltete Ambiente, das anspruchsvoll, aber nicht überheblich die Geschichte des Hauses transportiert.
Kunstvolles Treppenhaus
In Escherndorf befindet sich seit 1890 das Familienweingut Rainer Sauer. Nach drei Generationen war es an der Zeit einen architektonischen Neustart zu wagen. Das Wohnhaus der Großeltern bekam (2013 - 2015) vom Architekten Reinhard May und Michael Fenn ein völlig neues Outfit mit Veranstaltungs- und Degustationsraum und künstlerisch gestaltetem Treppenhaus. Hierfür wurde das ehemalige Wohnhaus entkernt, das historische Mauerwerk freigelegt und gereinigt, was den Räumen eine starke Authentizität verleiht. "Das Mauerwerk wurde sanft kugelgestrahlt und mit Sand und Kalk verfugt", ergänzt der Winzersohn Daniel Sauer. An der südlichen Stirnwand der Vinothek erzählt eine Collage vom Winzerleben und der Familiengeschichte des Hauses Sauer. Ziemlich zentral platziert, steht eine moderne Kühltheke, in der die Probierflaschen zwar versenkt, aber griffbereit für den Ausschank bereitstehen. Tische und Bänke, auf geschmiedetem, geradlinigem Gestell, sind aus hellem Holz gefertigt und wirken zurückhaltend und schlicht. Gedämmte Decken sorgen für eine angenehme Atmosphäre, die durch die dezente Lichtinszenierung unterstützt wird.
Der Treppenaufgang in den oberen Gastraum besitzt seine ganz eigene Magie. Die strahlende Lichtkugel, der Sonnenball mit den Glastropfen und das Geländer, symbolisch wie Rebstöcke geformt, nehmen Bezug auf die mühsame Arbeit im Weinberg. Kunst und das Handwerk des Winzers sind hier eine eindrucksvolle Symbiose eingegangen.
Lichtillumination im Weinberg
Von weitem sichtbar über den exklusiven Lagen des Steinweins grüßt unübersehbar das Weinwerk des Weingutes Stein, das seit 15 Jahren im vom Ehepaare Sandra und Ludwig Knoll geführt wird. In der eigenwilligen und zugleich attraktiven Architektur mit den Maßen 10x10 Metern verbirgt sich die Vinothek. Die auf der schrägen Hanglage am Stein hinaufragenden Eichenholzbalken ummanteln den mehrstöckigen Innenraum aus Glas und schließen als markante und eigenständige Würfelkonzeption an den historischen Gebäudebestand an. Das vielfach ausgezeichnete Weinberghausensemble, geschaffen von den Architekten Hofmann Keicher Ring und Reinhard May besteht aus Beton, Glas, Lehm und Eichenholz. Je nach Tageszeit und Sonnenstand spielt die Kombination von Glas und Eichenholzfassade mit Licht und Schatten. Und bei nächtlicher Beleuchtung illuminiert der Innenraum das Weinwerk und verwandelt mit dieser Lichtinstallation nicht nur den Weinberg, sondern auch das Gebäude selbst wird je nach Beleuchtung zum weithin sichtbaren und imposanten Leuchtkörper.
Über den Autor*Innen
Eva-Maria Mayring
Nach dem Studium der Kunstgeschichte arbeitete die Münchnerin als Redakteurin bei der Passauer Neuen Presse und Münchner Merkur. Seit 2000 schreibt die inzwischen freie Journalistin vor allem für die Reiseseiten in Magazinen und Zeitungen. Besonders großen Spaß macht es ihr, für ausgefallene Geschichten in fremden Ländern zu recherchieren und dabei auch deren kulinarischen Köstlichkeiten kennenzulernen. Egal ob Bayern, Kärnten oder Canada Natur, Kunst und Genuss stehen ganz oben auf ihrer Liste. Und nach ihrem Studienjahr in Edinburgh hat sie ihre Liebe für Großbritannien entdeckt.