Trachten, Traditionen und die Lust auf Mährens Genüsse

Tanz und Lebensfreude vor historischen Kulissen in der mährischen Slowakei: Ob Aprikosenfest oder Weinlese - gefeiert wird bei jeder Gelegenheit - (c) Herbert Barnehl

Der nach neuen Zielen suchende Reisende erlebt einen unvergesslichen Ausflug in eine Region Europas, geprägt durch eine lange KuK-Vergangenheit, der Geschichte der Walachei bis hin zu jüdischem Leben in der Mährischen Slowakei. Erstaunlich dabei: es ist der südöstlichste Teil Tschechiens. Eine Destination abseits der großen Touristenströme. Zu Unrecht.

„Dobry Den“ – guten Tag in der Walachei. Genauer gesagt im ältesten Freilichtmuseum Europas. Vor den Toren von Roznov pod Radhostem, dem ehemaligen Luftkurort Rosenau unter dem Radhoscht (Berg 1129 Meter über dem Meeresspiegel), Kaiser Franz Joseph I. soll wohl kein willkommener Spa-Gast gewesen sein, wurde bereits in den zwanziger Jahren begonnen, das Leben der mährischen Walachen für künftige Generationen zu erhalten. Über vierzig Häuser, idyllisch gelegen im Stadtpark dokumentieren das Lebensgefühl einer ethnischen Minderheit bis zum 19. Jahrhundert. Charakteristisch: Alle Gebäude sind Holzbauweisen von der beeindruckenden Kirche, der Schule bis zur Amtstube des Gendarmen. Ein Spaziergang über den kleinen Ehrenfriedhof birgt eine Überraschung. Emil Zatopek, genannt die Lokomotive, zu Lebzeiten schon Legende als der schnellste Sportler der damaligen Tschechoslowakei fand dort 2000 auf eigenen Wunsch seine letzte Ruhe. Heute bietet dieser romantische Ort die farbenprächtige Kulisse für walachische Volksfeste von April bis September.

Eine mährische Pizza in Velke Karlovice
Nicht nur die Italiener können Pizza backen. In der mährischen Slowakei gehört seit Jahrhunderten die Herstellung der „Frgal“ zum festen Bestandteil der süßen Küche.
Die Kolatschen sind runde Kuchen aus Hefeteig, die exakt einen Durchmesser von 30 cm Zentimeter haben müssen, um als original walachisch gelten zu dürfen. Der Belag und dieses ist das Besondere - besteht wechselweise aus Birnen-, Zwetschgen-, Mohn- oder Quarkmus. In der Region ein Grundnahrungsmittel.

In dem unscheinbaren Hotel Garlic dirigiert die Chefin Pavla stets gut gelaunt ihre acht frauenstarke Brigade bei der Herstellung der feinen Köstlichkeit. Ein schöner Einfall: als Besucher dieser Manufaktur kann man sich ein Zertifikat als mährischer „Pizzamacher“ errollen.

Steif gebügelt in Rochos
Wieder ein Ort, in dem walachisches Leben lebendig zelebriert wird. Auf einem Hügel oberhalb der Stadt Uherske Hradiste befindet sich ein besonderes Freilichtmuseum. Im Sonnenlicht wirken die mit Reet gedeckten Häuser mit ihrer blau- weißen Fassade wie ein Gemälde aus vergangener Zeit. Gleichzeitig ist es Schauplatz für Live-Cooking am historischen Herd. Eine Modenschau der anderen Art wird zum Höhepunkt des Museumsrundganges. Die traditionellen Trachten der Mährer werden aufwendig so steif gebügelt, dass alleine das Anziehen von Unterhose bis Hemd und Kopfschmuck zwanzig Minuten in Anspruch nimmt. Mühsam, das Resultat ist optisch beeindruckend.

Geprägt wird die Region durch den Weinanbau. Die Kellergassen in Plze erinnern stark an die ehemaligen „KuK-Brüder“ im Weinviertel oder der Wachau. Und bewahren ihr kulturelles Erbe im Weinanbau. In der Vinny sklep U Lisu , einem Weinkeller aus dem Jahr doktert  Kellermeister Petr Vyhlid  seit Jahren an der Wiederbelebung alter mährischer Rebsorten. Mit Erfolg, ein Glas Neuburske (eine der ältesten Trauben) mundet hervorragend bisweilen spät in den Abend hinein.

Wein und koscher in Mikulov
Die mährische Slowakei ist bis heute eine lebendige Region in der der Wein wie das Blut durch die Adern fließt. Zwischen herrschaftlichen Schlössern und sanften Hügellandschaften prägen Weinberge die Landschaft. Speziell die Region um Mikulov durch die Grenze zum östereichischen Weinviertel gilt zu Recht als das mährische Weinfass. Eindrucksvoll nachvollziehbar im Schloss Mikulov In einem gigantischen Kellergewölbe befindet sich das größte Weinfass Europas mit einem damaligen Fassungsvermögen von 100400 Litern. Der Legende nach soll es sich aber eher um Weinfusel gehandelt haben. Jahrhunderte lang war das Leben der Stadt durch jüdisches Leben geprägt. In sieben Synagogen zelebrierten ca. 7000 jüdische Einwohner ihre gläubigen Rituale.

Das damalige Haus des Rabiners ist heute ein Boutique Hotel Tanzberg. Obligatorisch beherbergt es eine Pivnice (Bierbar) mit süffigem Pivo. Für Tschechen das Nationalgetränk schlechthin. Wunderbar ist der abendliche Ausklang nach einem Bummel durch die pittoreske Altstadt bei koscherem Abendmahl. Kulinarischer Höhepunkt „Gehakte Leber“ oder „Goldene Joich“. Zur Abrundung darf ein Slivovice nicht fehlen.

Die Reise endet bei Freunden, die Tradition und Lebensfreude in einer unsicheren Welt nachhaltig bewahren.

Ahoj– auf Wiedersehen - auf einen Ryzlink Rynsky oder ein Pivo. Das wäre allerdings eine neue Geschichte.

Weitere Informationen zu den Regionen Ostmähren und Südmähren finden Sie hier...www.visitczechia.com

Über den Autor*Innen

Herbert Barnehl

Als echten Holsteiner, geboren in Kiel und aufgewachsen in Glückstadt an der Elbe, zog es ihn schon in jungen Jahren in die Regionen südlich der Elbe. Getreu dem humorvollen Spruch: Südlich der Harburger Berge fängt der Balkan an. Bis dahin hat er es nie geschafft. Vielmehr zog es Herbert in die kulinarischen Regionen Frankreichs. Er entwickelte Reportagen (Abenteuer und Reisen, BMW-Magazin, Holiday, Merian und regionale Tageszeitungen) über die Geheimnisse der Champagne, den Reiz des Perigords und dem ländlichen Charme der Normandie.