Teurer Schatz aus dem Dreck

In der Altstadt von Urbino - (c) Thomas Rentschler

Was ist schwerer zu finden als ein Parkplatz in Rom zur Rushhour? Richtig geraten: Trüffel in den Wäldern in der mittelitalienischen Region Marken. Sagen Trüffelsucher. Doch als ich mit Luca und seinem Hund Paco an einem sonnigen Tag im Juni in seinen Eichenwald gehe außerhalb von Acqualagna, der Hauptstadt für weißen Trüffel, da scheint alles spielerisch leicht. Der Hund flitzt hin und her wie ein Jagdhund, der eine Fährte von einem Hasen entdeckt hat. Wir immer hinterher, so gut das eben geht zwischen den Eichenbäumen in dem hügeligen Wald. 

Plötzlich scharrt der Hund im Boden. Luca eilt schnell hin, schiebt ihn zur Seite und gräbt vorsichtig mit einem speziellen Spaten im Boden. Dann hält er eine tischtennisballgroße Knolle in der Hand. Sommertrüffel. Etwa 20 Gramm schwer ist eine dieser Knollen. Luca lobt Paco, einen Hund der Rasse Bracco Italiano und gibt ihm ein Leckerli. „Lieber wäre ihm allerdings der Trüffel“, sagt Luca. „Wenn ich nicht schnell genug bin, hat er ihn schon verschlungen, bevor ich Mama Mia rufen kann.“

Teure Zwischenmahlzeit
Eigentlich sind die Trüffelsucher von Trüffelschweinen auf Trüffelhunde umgestiegen, damit die wertvollen Knollen eben nicht von ihnen verspeist werden, sondern in den Restaurants in aller Welt den Gästen vorsichtig mit einem Hobel auf die frischgemachte Paste gerieben wird. Doch Paco scheint nicht nur eine feine Nase zu haben, sondern auch einen Gourmetgaumen. Also muss Luca immer wie der Teufel hinter ihm her sein, damit er die Knolle nicht schon ausgegraben UND verspeist hat, bis er bei ihm ankommt.

Weißes Gold für 9.000 Euro
Das ist, je nachdem, ob Paco weißen oder schwarzen Trüffel erschnüffelt, eine teure Zwischenmahlzeit für den Hund. Die weißen Trüffel, die „Tuber magnatum Pico“, werden auch „weißes Gold“ genannt. Zurecht. Ein Kilo kostet bis zu 9.000 Euro. Schwarze Trüffel, Tuber melanosporum, oder Sommertrüffel, sind deutlich erschwinglicher und werden zwischen 350 und 3.500 Euro gehandelt, abhängig von Qualität und Größe der Knollen.

40.000 Euro-Nase
Sowohl Hunde als auch Schweine lieben den Duftstoff Dimethylsulfid, der Trüffeln ihren einzigartigen Geruch verleiht. Als Paco drei Monate alt war, erschnüffelte er seinen ersten Trüffel bei einem Gang in den Wald in der Nähe des Hauses. Ungeplant. Doch der 36jährige Luca nahm dies als Zeichen. Und es ist ein gutes Zeichen. In Zahlen ausgedrückt: Dieser süße Hund erschnüffelt seit gut vier Jahren Trüffel im Wert von 40.000 Euro jährlich für Luca. 

Er verkauft seine Trüffel auch an das Restaurant La Tana del Lupo
in Acqualagna. Das Restaurant wirkt von außen unscheinbar. Einheimische essen hier zu Mittag ihre Pizza oder Pasta für rund zehn Euro. An diesem heißen Tag im Juni reibt mir Inhaberin Sonia großzügig Sommertrüffel auf die Vorspeise, Omelett (18 Euro), und den Hauptgang, hausgemachte Pasta (20 Euro). Die Preise variieren natürlich je nach Saison und Trüffelart.

Der Sommertrüffel schmeckt erdig, nussig und leicht pilzig, mit einer subtilen Note, die an Haselnüsse erinnert und hat einen milderen und weniger intensiven Geschmack als weißer Trüffel. Weiße Trüffel sind die Diven: intensiv duftend nach Parmesan, Knoblauch und feuchter Erde und empfindlich wie ein italienischer Opernstar. Sie werden wie der Sommertrüffel roh über Pasta, Omelett oder Risotto gehobelt. Schwarze Trüffel sind im Vergleich zu weißen Trüffeln robuster, erdig und ideal für warme Gerichte wie Trüffelbutter-Saucen oder Schmorgerichte. 

Aller guten Dinge sind neun
Es gibt neun essbare Trüffelarten. Acqualagna in der Region Marken in Italien ist einer der wenigen Orte weltweit, an dem alle neun vermarktbaren Trüffelarten wachsen. Doch wirklich bedeutend sind eigentlich nur die ersten drei:

  1. Weiße Albatrüffel
  2. Schwarze Périgord-Trüffel
  3. Sommertrüffel
  4. Burgundertrüffel
  5. Schwarze Wintertrüffel oder Muskattrüffel
  6. Weiße Märztrüffel
  7. Großsporige Trüffel oder Knoblauchtrüffel
  8. Gekrösetrüffel oder Bitumen-Trüffel (essbar und sehr bitter, deshalb nicht so geschätzt
  9. Chinesische Trüffel sind weniger aromatisch, aber essbar.

Die Wälder rund um Acqualagna, zwischen den Bergen Catria und Nerone, bieten Luca zufolge ideale Bedingungen, da Trüffel am besten auf kalk- und lehmhaltigem Boden in feuchter Umgebung gedeiht unter Eichen, Weiden, Pappeln oder Haselnussbäumen. Und genau diese Baumarten hat Luca in seinem Wald gepflanzt. Trüffel brauchen die Mykorrhiza-Symbiose mit diesen Bäumen, um gedeihen zu können. Trüffelsucher benötigen eine Lizenz der Region Marken. Die kostet allerdings jährlich nur 92 Euro, also deutlich weniger als ein Tischtennisball großer Sommertrüffel. Und von denen hat Paco an diesem Sommertag allein in einer Stunde sechs erschnüffelt und nicht runtergeschlungen, bevor Luca zur Stelle war.

Acqualagna produziert etwa zwei Drittel der italienischen Trüffel, das entspricht 60.000 bis 80.000 Kilo jährlich. Viele Familien in der Region sind in der Trüffelsuche tätig, oft mit speziell ausgebildeten Hunden wie Luca mit seinem Hund.

In Acqualagna findet auf der Piazza Enrico Mattei alljährlich im Oktober und November die Messe rund um den weißen Trüffel statt. Dann werden die weißen und schwarzen Knollen angeboten, aber auch Trüffelspezialitäten wie Trüffelsoßen, Trüffelsalami, Trüffelkäse und Trüffelpasta. In den Restaurants und Shops im Ort können sich Trüffelliebhaber mit den entsprechenden Produkten das ganze Jahr über eindecken.

Trüffelparadies Europa
In Italien sind weiße Trüffel aus dem Piemont und schwarze Trüffel aus Umbrien oder der Toskana sehr bekannt. Doch auch in der mittelitalienischen Region Marken wächst das Gold aus dem Dreck prächtig – und zwar sowohl schwarze als auch weiße Trüffel. 

Aus dem Nachbarland Frankreich stammt der schwarze Perigord-Trüffel - und zwar vor allem aus der Dordogne und der Provence. Die Franzosen behaupten, ihre Trüffel seien die besten. Doch das sagen die Italiener auch. Ist also Geschmackssache oder eine Glaubensfrage.

Schwarze Trüffel aus Aragon und Katalonien in Spanien gelten Gourmets zufolge als weniger glamourös, aber solide und oft unterschätzt.

Trüffel aus Kroatien und Slowenien sind preislich günstiger als Trüffel aus Italien, Frankreich und Spanien. 

Zwei Nischenplayer sind Ungarn mit schwarzem Trüffel aus dem Karstgebirge. Und im südenglischen Wiltshire gedeiht der Sommertrüffel prächtig. Warum also nicht mal Tee mit Trüffel probieren? 

Gut schlafen im Trüffelparadies Marken
Als Unterkunft während dem Urlaub in der Trüffelregion ist das „Tenuta Santi Giacomo e Filippo" in Urbino zu empfehlen, ein bio-zertifiziertes Wein- und Ferienresort mit einem schicken Wellnessbereich. Es besteht aus mehreren Gebäuden. Die Gäste können wählen zwischen 30 Zimmer und Suiten sowie elf Apartments, die stilvoll renoviert wurden. Trüffelgerichte werden in dem Restaurant selbstverständlich ebenfalls angeboten. Der Pool bietet eine tolle Aussicht auf die sanfte Hügellandschaft. 

 

Über den Autor*Innen

Thomas Rentschler

Thomas Rentschler

Thomas Rentschler ist im Schwarzwald aufgewachsen und hat nach einer kaufmännischen Ausbildung bei einer Nachrichtenagentur und auf der Akademie für Publizistik in Hamburg das journalistische Handwerkszeug erlernt und anschließend sowohl als festangestellter Reporter und Redakteur sowie freier Mitarbeiter unter anderem für die Nachrichtenagentur dpa, Zeitungen (Financial Times Deutschland, taz, WAZ, Welt am Sonntag), Zeitschriften (Focus, MAX, Wirtschaftswoche), Hörfunk (Deutschlandfunk, Korean Broadcasting System, NDR, Radio Zürisee, WDR) und TV (MDR) im In- und Ausland (Schweiz, Spanien u