Ein Rundgang durch das winterliche Rothenburg ist eine Entdeckungsreise in das Mittelalter. 46 Türme und Torhäuser auf der Stadtmauer umgeben den historischen Kern der Stadt. Der überdachte Turmweg mit vier Kilometern Länge dauert fast drei Stunden, will man ihn ganz umrunden. Wir begnügen uns mit einer halben Stunde und genießen dabei die Aussicht von oben herab. Von hieraus können wir über die Dächer und Gärten hinweg auch einen Blick ins Taubertal machen, wo mit der ersten Siedlung 960 die Stadtgeschichte beginnt. Es wird eine Reichsburg durch den Hohenstaufenkönig Konrad III. errichtet. Daneben auf einem Hügel entsteht 1274 Rothenburg, von König Rudolf von Habsburg wird es zur Reichstadt. Mit Bürgermeister Toppler kommt es zu einer Blütezeit. Rothenburg zählt 6000 Einwohner und gehört zu den größten Städten des Reiches. Doch nach dem Bauernkrieg 1525 folgt 1618 die Reformation und im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird die Stadt mehrmals besetzt und stand kurz vor dem Untergang. Doch die kaiserlichen Truppen stellten eine letzte Forderung an die Stadt, dass ein Humpen mit dreieinhalb Liter Wein gefüllt von einem Ratsmitglied in einem Zug geleert würde. Der „Meistertrunk“ gelang wie gewünscht und die Stadt blieb vor der Zerstörung verschont.
1802 kommt Rothenburg zu Bayern. 1945 wird die Altstadt im Krieg schwer zerstört und durch großzügige Spenden wieder aufgebaut. Heute sieht alles von hier oben friedlich und beschaulich aus. Kaum vorstellbar, dass so viele Kämpfe und Kriege stattfanden. Doch zur Erinnerung an die Rettung findet seit 1881 an jedem Pfingstwochenende in der Altstadt das historische Schauspiel „Der Meistertrunk“ statt.
„Hört ihr Herren und lasst euch sagen…“
Noch einmal werden wir mit dem Mittelalter konfrontiert. Der Nachtwächter Georg Baumgartner nimmt uns mit auf seinen Rundgang. Wir treffen den stattlichen, großen Mann mit seinem breitkrempigen Hut, schwarzem Überwurf, in der einen Hand eine Hellebarde, eine Laterne in der anderen und um den Hals ein Horn. Er führt uns durch dunkle, menschenleere Gassen und über spärlich beleuchtete Plätze. Dabei spricht er mit dunkler, überzeugender Stimme und erzählt von der Pest, dem schwarzen Tod, von grausamer Folter und Bestrafung. „In diesen Zeiten waren die Nachtwächter für die Stadt besonders wichtig,“ erklärt Georg Baumgartner. „Sie mussten darauf achten, dass die Stadttore geschlossen waren. Zudem kontrollierten sie, dass weder Feuer, Feinde und Diebe, die Stadt bedrohten. Bei Gefahr bliesen sie in das Horn.“ Die eindrucksvolle Vorstellung des Nachtwächters versetzt uns in die dunklen Tage des Mittelalters, in denen Hunger und Seuchen keine Seltenheit waren.
Wie gut, dass diese Zeiten für die Stadt an der Tauber heute Vergangenheit sind. Geblieben ist die prachtvolle mittelalterliche Fachwerkarchitektur mit den schmalen Straßen und Gassen und dem authentisch holprigen Kopfsteinpflaster. Sommer wie Winter ist die mittelfränkische Stadt ein Anziehungspunkt für Besucher aus aller Welt.
Schneeballen als Leckereien
Noch ist der Weihnachtsmarkt nicht eröffnet, aber die Bäckereien locken bereits mit Lebkuchen, Gebäck, Kuchen und Pralinen. Wir wollen wissen, was es auf sich hat mit den sogenannten Schneeballen, die in verschiedenen Glasuren in den Auslagen liegen. In der Bäckerei von Walter Friedel erfahren wir das Geheimnis der Rezeptur des Gebäcks. Der freundliche Bäckereibesitzer Walter Friedel, in der vierten Generation nimmt sich Zeit für uns und erklärt die Zubereitung. „Seit 1882 produziert unsere Bäckerei diese traditionsreiche Spezialität, die ursprünglich zu Hochzeiten und festlichen Anlässen gebacken wurde. Der mürbe Eierteig wird mit einem Teigrädchen in Streifen geschnitten, in einer Spezialglocke gebacken und nach dem Auskühlen mit Puderzucker bestäubt.“ An die 350 Schneeballen verlassen täglich Friedels Backstube. Die Variationen reichen von Marzipan, Schokolade, Nougat bis Amaretto.
Weihnachtsmarkt in Rothenburg
Ganz besonders in der Weihnachtszeit zieht es Jung und Alt in die romantisch, märchenhafte Stadt. Am Freitag, vor dem 1. Advent um 17.00 wird traditionell der „Reiterlesmarkt“ eröffnet. Er zählt zu den beliebtesten in Deutschland. Das „Reiterle“, eine Figur aus der germanischen Sagenwelt, kommt zu Pferd auf die Bühne, spricht Grußworte an das Publikum und verteilt Süßigkeiten an die Kinder. Es spielen Bläsergruppen aus der Region und nach der Ansprache des Bürgermeisters wird der Christbaum erleuchtet. Die rund 54 Buden glitzern und leuchten dann um die Wette und bieten ihr weihnachtliches Sortiment an. Der Duft von gebrannten Mandeln, Zimt, Vanille und gerösteten Maroni liegt in der Luft. Und man freut sich auf den ersten Becher weißen Glühwein mit einer Rostbratwurst, die Kombination schmeckt besonders gut auf dem „Reiterles“ Markt. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo man Geschenkideen für Weihnachten verwirklichen kann, denn der Markt bietet vielfältiges Kunsthandwerk und Handarbeiten an. Nicht nur das Deutsche Weihnachtsmuseum mit der Präsentation von nostalgischen Festtagsschmuck aus Urgroßmutters Zeiten, Kugeln aus Glas, Pyramiden, Lichterfiguren aus dem Erzgebirge und 150 Weihnachtsmänner, auch das Weihnachtsdorf mit 1001 Ideen zum Fest stimmen uns auf die Festtage ein.
Über den Autor*Innen
Eva-Maria Mayring
Nach dem Studium der Kunstgeschichte arbeitete die Münchnerin als Redakteurin bei der Passauer Neuen Presse und Münchner Merkur. Seit 2000 schreibt die inzwischen freie Journalistin vor allem für die Reiseseiten in Magazinen und Zeitungen. Besonders großen Spaß macht es ihr, für ausgefallene Geschichten in fremden Ländern zu recherchieren und dabei auch deren kulinarischen Köstlichkeiten kennenzulernen. Egal ob Bayern, Kärnten oder Canada Natur, Kunst und Genuss stehen ganz oben auf ihrer Liste. Und nach ihrem Studienjahr in Edinburgh hat sie ihre Liebe für Großbritannien entdeckt.